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Dann passieren Dinge, die sich nur schwer erklären lassen – U.S. Girls im Interview

Mit ihrem achten Studioalbum “Bless This Mess” unterstreicht Meg Remy aka U.S. Girls wieder einmal ihre Ausnahmestellung im Bereich Experimental-Pop. Kreativ und facettenreich wie eh und je skizziert die Kanadierin ein neuerliches Feinfühl-Klanggemälde. Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Studioschaffens trafen wir Meg Remy zum Interview und sprachen über Bauchgefühle, das perfekte Umfeld und Dankbarkeit.

MusikBlog: Meg, im Rennen um den coolsten Albumtitel des Jahres liegst du meiner Meinung nach ziemlich weit vorne. Wie kamst du auf den Song- und Albumtitel “Bless This Mess”?

Meg Remy: Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit dagegen angekämpft habe. (lacht) Mir erschien der Titel zu offensichtlich. Aber irgendwas in mir hat mir auch das Gefühl gegeben, dass es einfach keinen besseren und passenderen Titel geben kann. Für mich als Künstlerin geht es ganz oft darum, eine gewisse Tiefe und Akzeptanz zu finden. Der Titel vereint irgendwie ganz viel von dem, was mir wichtig ist.

MusikBlog: Du bist zwischen den letzten beiden Alben Mutter von Zwillingen geworden. Inwieweit hat dieses lebensverändernde Ereignis den Produktionsprozess beeinflusst?

Meg Remy: Zunächst einmal muss ich sagen, dass der Tag, an dem ich von der Schwangerschaft erfuhr auch gleichzeitig der Tag war, an dem ich anfing, meine ersten Songs für das neue Album zu schreiben. Ich dachte mir einfach: Wer weiß, wann ich wieder dazu in der Lage sein werde. (lacht) Und natürlich hat die Schwangerschaft und letztlich auch die Geburt viel in meinem Leben verändert. Dazu gehört natürlich auch die Art und Weise, wie ich arbeite.

MusikBlog: Musikalisch betrachtet, scheinen dich die Veränderungen noch weiter beflügelt zu haben. Auf dem neuen Album gibt es unheimlich viel zu entdecken.

Meg Remy: Ich mache Musik meist aus dem Bauch heraus. Da steckt kein Konzept und kein Plan dahinter. Wenn ich anfange, dann horche ich in mich hinein – und dann passieren manchmal Dinge, die sich nur schwer erklären lassen.

MusikBlog: Du hast auch diesmal wieder mit verschiedensten Musikern zusammengearbeitet. Was ist dir bei der Auswahl deiner Helfer besonders wichtig?

Meg Remy: Die richtige Zusammenstellung der Leute, die am Ende mit mir zusammen im Studio arbeiten, ist immens wichtig. Das ist quasi das Fundament des Ganzen. Dabei geht es weniger um die technischen Fähigkeiten als vielmehr darum, ob ich mich mit den Leuten verstehe und wie sie meine Vorstellungen fühlen und umsetzen. Wenn ich jemanden habe, der zwar alles spielen kann, aber nicht versteht, um was er mir wirklich geht, dann bringt mich das nicht wirklich weiter. Musik hat auch viel mit Verständnis und Vertrauen zu tun. Auch hier geht es um ein Bauchgefühl. Am Ende muss genau dieses Gefühl befriedigt werden. Das ist mit das Wichtigste.

MusikBlog: War es diesmal einfach, die richtigen Leute zu finden?

Meg Remy: ja, irgendwie schon. Ich hatte das Glück, dass ich nicht viele Musiker*innen suchen musste. Die meisten kamen irgendwie von sich aus zu mir. Das war eigentlich ein sehr entspanntes Prozedere. Es ist aber auch fast immer entspannt, wenn man seinem Bauchgefühl folgt. (lacht)

MusikBlog: Was oder wer hat dich diesmal besonders inspiriert?

Meg Remy: Ich sauge eigentlich alles auf und lasse auch alles irgendwie in meine Musik mit einfließen. Ich höre unheimlich viel Musik, ich schaue mir mit meinem Mann gerne Filme an und ich lese auch sehr gerne. Hinzu kommen all die alltäglichen Begegnungen, Gespräche und Erfahrungen, die man so sammelt. Ich nutze wirklich alles.

MusikBlog: Wie herausfordernd ist die Mutterrolle für dich als Musikerin?

Meg Remy: Ich sag es dir ganz ehrlich. Am liebsten würde ich den ganzen Tag mit meinen Kids verbringen, mich um sie kümmern, sie füttern und all die tollen Sachen machen, die man halt mit kleinen Kindern so anstellt. Nachts würde ich dann zur Gitarre greifen und meine Musik machen. Das wäre ein Traum. So läuft es aber leider nicht. Auch wenn ich das Glück habe, nicht auf einen Babysitter angewiesen zu sein, weil ich von neun bis fünf arbeiten muss, bleibt mir manchmal nichts anderes übrig, als mich von meinen Kindern zu trennen. Als Musikerin muss ich auch unterwegs sein. Das gehört zum Job dazu. Letztens war ich auf einem Promo-Trip. Das war sehr schwierig für mich, da ich meine Kinder nicht mitnehmen konnte. Aber am Ende des Tages geht es ja auch ums Geldverdienen. Es muss also auch mal sein, dass ich nicht da bin, auch wenn ich es gerne wäre. Ja, es ist eine Herausforderung. Aber so ist das nun mal.

MusikBlog: Du hast vor deiner Solo-Karriere in einigen Punkrock-Bands gespielt. Warum hat das Dasein als “Bandmitglied” irgendwann nicht mehr für dich funktioniert?

Meg Remy: Ich hatte eigentlich nie vor, eine Karriere im herkömmlichen Sinn zu starten. Das war nie mein Anliegen. Ich wollte eigentlich immer genau das Gegenteil. Meine Eltern haben mir Karrieren vorgelebt. Ich wollte das nicht für mich. Ich wollte einfach nur frei sein. Ich wollte Musik machen, wann ich wollte und mit wem ich wollte. Ich hatte eine ziemlich Anti-Haltung. (lacht) Irgendwann hat mir eine Freundin ein Vierspur-Aufnahmegerät geschenkt. Das war unheimlich spannend für mich. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich meine Ideen und meine Songs mit niemandem mehr teilen. Ich konnte meine Songs abfeiern oder sie wieder löschen, ohne jemanden fragen zu müssen. Irgendwann hatte ich zwölf Songs fertig, die ich auf einer CD-R an all meine Freunde verschickte. Einer davon war Radio-DJ in Kalifornien. Das war so eine kleine College-Station. Dort liefen dann meine Songs. Und irgendwann kam dann ein Label auf mich zu. So hat sich das dann irgendwie alles in diese Richtung entwickelt. Jetzt sitze ich hier und habe doch noch eine Karriere. (lacht)

MusikBlog: Fühlst du dich wohl mit deiner Karriere?

Meg Remy: Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Das ist echt schwierig. Ich weiß manchmal gar nicht so genau, was es bedeutet, eine Karriere zu haben. Bin ich jetzt weich geworden, weil ich am Ende doch noch diesem “Zirkel” der Karriere-Menschen beigetreten bin? Sollte ich nicht wieder frei sein? Fühl ich mich aber überhaupt eingeschränkt? Es ist wirklich verrückt und auch verwirrend. Ich bin aber auf jeden Fall dankbar. Das bin ich wirklich, auch wenn ich mich vielleicht nicht immer wohl dabei fühle.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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