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Deichkind – Neues vom Dauerzustand

Deichkind auf Themensuche im Elbsandsteingebirge – klingt wie eine Zeile von ihnen selbst, war aber notwendige Katharsis in der ostsächsischen Provinz.

Auch der hintergründigen Partymaschine wurde kurz nach der „Wer Sagt Denn Das?“-Tour der Corona-Stecker gezogen, die kreativen Prozesse an die Kette gelegt. Online-Sessions konnten nicht kompensieren, dass über berufliche Neuorientierung nachgedacht wurde und das langjährig bewährte DK-Konzept der demaskierend-ironischen Befeuerung von first world problems angesichts dystopischer globaler Gemengelage einer Tragfähigkeitsprüfung unterzogen wurde.

In klarer Bergluft inhalierten Kryptik Joe, Porky und La Perla Ideen für zeitgemäße Inhalte, kalibrierten die Marke Deichkind neu, gelingt ihnen einmal mehr der Spagat zwischen Slang-Philosophen und Feierbiestern, die mit frischen Tracks den rasenden Irrsinn der Zeit tiefgängig karikieren.

Jenseits moralischer Überhöhung spiegelt ihr Wortdomino in den giftigen Kurzanalysen von „Neues Vom Dauerzustand“ den Lifestyle in Szene-Kiez und Trabantenstadt wieder, seziert mit verquirlten Floskeln in schlüssigen, kausalen Ketten eine blasierte Weltfremdheit, die sich mit der Unvereinbarkeit von Denken und Handeln paart, marschiert ihr „Wutboy“ über die Schlachtfelder einer fragmentierten Gesellschaft.

„Komm lieber mit der Hook rein, sonst ist das kein Hit“ spricht „Nummer Sicher“ und von massiv nach dem Tanzbein greifenden Punchlines gibt es auch auf der achten Ausgabe der Crew vom Deich reichlich, bleiben die Tanzbefehle jedoch bei weitem nicht das einzige Timbre, mit dem das Album spricht.

Die Synthies von „Kein Bock“ blubbern zu genervt-dekonstruktiven Gemurmel im Hintergrund, entwickelt das Zusammengehen mit ihren kurz vor dem Ausscheiden aus dem Showbiz stehenden Buddys von Fettes Brot in „Mehr Davon“ Sogwirkung, verpasst Kollaborateur Clueso „Auch Im Bentley Wird Geweint“ eigenes Esprit, bis „Wie Denn“ die Platte im luftigen Pop-Modus ausklingen lässt.

Bühnenshowdirektor La Perla wird dieses Konglomerat aus pumpenden Beats und verbalen Konstrukten im kommenden Sommer wieder verlässlich als exzessives Live-Spektakel choreografieren. Bis dahin werden „Neues Vom Dauerzustand”-Inhalte bereits flächendeckend im Umlauf sein – aber das „Merkste Selber”.

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