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Caroline Rose – The Art Of Forgetting

Erinnerungen sind ein faszinierendes Konzept und praktisch überlebenswichtig: Sie sind kleine Zeitreisen in die Vergangenheit, die vielleicht nicht immer präzise und vertrauenswürdig, aber dennoch nötig sind, um Mensch zu werden und Tag für Tag die Welt zu durchschreiten.

Doch was passiert, wenn die Erinnerungen zu sehr schmerzen und man sie vergessen möchte, weil sie zu sehr im Wege stehen? Oder schlimmer: wenn auch die schönsten Erinnerungen langsam schwinden, das Gedächtnis abbaut und man sich selbst dadurch verliert?

Diese beiden Ansätze sind die Grundpfeiler für “The Art Of Forgetting”, das vierte Album der US-amerikanischen Singer/Songwriterin Caroline Rose, die mit dem Werk sowohl eine harte Trennung, als auch die Demenz ihrer Großmutter verarbeitet.

Die Kunst des Vergessens steckt dabei nicht nur im Albumtitel, es ist auch das oberste Mantra, das die Musikerin mit ihrem Album erreichen möchte. Trauer und Leid, Düsternis und Depression, alles kann vielleicht beiseite geschoben werden. Aber damit auch nichts wieder zurückkehrt, ist effizientes Vergessen nötig.

Ihre Reise untermalt Rose mit einem eklektischen Sammelsurium aus modernem Hochglanz-Pop, tribalistischen Rhythmen und herzzerreißenden Momenten. Mal sind es synthetische Klanglandschaften, im nächsten Moment überraschen jedoch perkussive, rohe Momente.

Dann schwenkt die Sängerin wiederum in eine verträumte Gitarren-Nummer wie die Single “Miami”, verliert sich in Indie-Songs wie “Everywhere I Go I Bring The Rain”, die auch durchaus fröhlich klingen und die Melancholie für eine Zeit lang abstreifen.

Wie die emotionale Verarbeitung von Traumata und schweren Zeiten auch stellt “The Art Of Forgetting” eine Achterbahn der Gefühle dar. Mal sind es gute, mal schlechte Momente, die Rose in ihren 14 Songs durchsteht.

Besonders ergreifend sind Zwischenspiele wie “Better Than Gold”, die mit einer Sprachnachricht ihrer Großmutter beginnen, in denen sie ihrer Enkeltochter Grüße und viel Liebe hinterlässt: “Caroline, ich wollte nur hallo sagen und deine Stimme hören. Ich liebe dich so sehr und denke jeden Tag an dich.”

Für sich alleine sind die Botschaften herzerweichend, im großen Kontext jedoch bittersüße und herzergreifende Momente in einem schwierigen Krankheitsprozess. War “The Art Of Forgetting” bisher schon ein gefühlvolles Werk, ist es nun emotional eine absolute Wucht.

Zum Ende hin spielt sich Rose immer weiter in freundlichen, gitarrenlastigen Indie und findet dort ihr Seelenheil. Die Schwere fällt schrittweise ab, die Akzeptanz und Verarbeitung der schwierigen persönlichen Phase obsiegen.

“The Art Of Forgetting” ist Schmerz, den Rose nicht einfach vergessen kann, so sehr sie es auch möchte. Aber sie lernt daraus, mit dem Schmerz umzugehen und ihn in etwas Positives umzumünzen.

Ein Glück für uns, denn es stellt sich heraus, dass dieses Positive ein intensives, wunderschönes und ergreifendes Album ist.

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