Vermutlich ging es um 1980 im Ratinger Hof, jener musikalischen Keimzelle in Düsseldorf, die ganze Musik-Dekaden beeinflussen sollte, weniger geordnet zu als am gestrigen Samstag im Leipziger Täubchenthal.
Dort hatte sich „Ein Kind Vom Ratinger Hof“ angesagt, Robert Görl, der mit Gabi Delgado, nachdem der Rest von der Ur-Besetzung aus der Band gemobbt war, als Deutsch Amerikanische Freundschaft so kompromisslose wie richtungsweisende Vorlagen für nachfolgende EBM- und Techno-Generationen lieferte.
Sein kongenialer Partner verstarb 2022, „Nur Noch Einer“ ist übrig. „Wir wussten immer, was DAF ist, wie DAF klingen soll“ – in diesem Sinn veröffentlichte der Multiinstrumentalist vor zwei Jahren ein Nachlass-Album auf der Basis noch vorhandener, luftdicht konservierter Tapes aus den Anfangsjahren.
Das Gros davon stand auf der gestrigen Setlist, die er mit Produzentin Sylvie Marks vorstellte, die am Entstehen dieser Platte maßgeblich beteiligt und live für das reibungslose Funktionieren des Equipments zuständig war (was ihr hervorragend gelang, außer, wenn der Kollege am Mikrofon eine Rückkopplung verursachte).
Vom freundlichen Empfang sichtlich berührt, proklamierte Görl das Konzert als eine „Party für Gabi“, entwickelte die Technik „Im Schatten“ auch ohne Atomstrom vom Start weg stoische Dynamik. „Alles ist Kunst“ skandierte der Protagonist in „Kunststoff“ weit weg vom martialischen Gestus, mit dem sich DAF dereinst nicht nur Freunde machten.
„Wir sind anders, wir sind wild“ – vieles, mit dem sie in den Anfangsjahren Grenzen verschoben, erscheint dato im diesbezüglichen Überbietungswettbewerb harmlos, trotzdem wirkt das unterschwellig dräuende Obsessive, die Liebe in ihren Rollenspielen Beleuchtende, was den Tracks „Du Bist So Zart“ oder „Das Geschenk“ innewohnt, nach wie vor verführerisch und gefährlich.
Natürlich wollte das Auditorium auch Klassiker hören, einige würde es später geben, im ersten Drittel wurden „Im Dschungel Der Liebe“ und das homoerotische Meisterstück „Der Räuber Und Der Prinz“ zwischen den zuletzt erschienenen Stücken platziert.
Der DAF-Sound, einst davon geprägt, dass der Output vom Korg MS20 Sequenzer zur Katalyse durch den Gitarrenverstärker geschickt wurde, klang – digital bereinigt – weniger roh, trotz dessen, dass „der Gabi“ und die exzessive Wucht seiner Bühnenpräsenz an allen Ecken und Enden fehlte, schritt der Abend zügig voran.
„Brothers“ nutzte Robert Görl noch einmal zum emotionalen Nachruf auf Delgado, der ahnen ließ, wie nahe sich beide – trotz aller ritueller Zänkereien – standen. Mit „Als Wär`s Das Letzte Mal“, womit 1981 das kulturaffine Publikum beim Auftritt in Bios Bahnhof einigermaßen ratlos zurückgelassen wurde, nahte bereits das Finale einer rastlosen Show.
„Verschwende Deine Jugend“: Gedanken an die Adoleszenz, für die DAF einen nicht unwesentlichen Teil des Soundtracks lieferten, dürften bei den älteren Semester Saal, die gemeinsam mit dem Publikum aller Altersklassen im leider nur zu gut einem Drittel gefüllten Ballsaal feierten, eineinhalb Stunden präsent gewesen sein.