Bevor die Brüder Tom und Ed Russell gemeinsam als Overmono begonnen haben, Musik zu machen, waren die beiden jahrelang solo in der Szene unterwegs. Tom, als Truss, produzierte Techno und Ed, als Tessala, Rave und Drum And Bass.
Seit 2016 veröffentlichte das britische Duo zahlreiche erfolgreiche EPs, spielte in Clubs quer durch Europa, arbeitete gemeinsam mit Joy Orbison, remixte Thom Yorke und gewann 2021 den „Best Of British Award“ der renommierten DJ-Szene-Fachzeitschrift „DJ Mag“ als „Best Live Act“.
Dahingehend ist es nur folgerichtig, dass Overmonos Debütalbum „Good Lies“ großen Erwartungen ausgesetzt ist – und diesen auch mühelos gerecht wird. Eingebettet in Stilelemente aus UK Garage, Techno, Trance und Drum And Bass gelingt ihnen ein sauber ausbalancierter Sound.
Der vokallastige Opener „Feelings Plain“ lässt bereits erahnen, dass neben harschen Drums und melodischen Klangteppichen auch Gesang eine wichtige Rolle spielen wird. Zahlreiche gepitchte Gesangsschnipsel teils bekannter Songs fügen sich in Overmonos ersten Longplayer ein.
„Is U“ sampelt den Track „Gladly“ der britischen Singer/Songwriterin Tirzah und baut eine imposante Pyramide aus brummendem Bass und überlagernden Rhythmen, die sich zunehmend verdichten.
Über der betörenden Hookline im Titeltrack „Good Lies“ legt sich der säuselnde Gesang des gesampelten Songs „No Harm“ vom norwegischen Duo Smerz, das sich wunderbar in das neue Klangkorsett einfügt, ohne etwas von ihrem ursprünglichen Charme einzubüßen.
„Cold Blooded“ beginnt unheilvoll, zeigt sich danach aber verspielt mit synkopierter Leichtfüßigkeit und elektrisierendem Reggae. Das düstere „Walk Thru Water“ zwischen R&B und Trap hingegen zeichnet mit seinen matten Synths und peitschenden Beats einen schier endlosen Horizont.
Das metallische „So U Kno“ schielt auffällig in die Richtung von Disclosure und nistet sich hartnäckig im Gehörgang ein. Der treibende Rhythmus wühlt auf, während man von wabernden Synths innig umarmt wird.
Die sphärische Klanglandschaften in „Vermonly“ schaffen eine fremdartige Atmosphäre, die an einzelne Ambient-Tracks von Aphex Twin erinnern, während das hymnische „Calling Out“ mit Gesangsparts von slowthai die Platte beschließt.
„Good Lies“ zeigt sich vielschichtig und durchwegs abwechslungsreich. Einzig beim dahinplätschernden „Sugarushhh“ bleibt der (Zucker-)Rausch aus und ist daher bedenkenlos selbst bei Diabetes geeignet. Saccharin kickt nun mal nicht so sehr wie das echte Zeug.
Die fast ausnahmslos berauschende Faszination dieses Debütalbums ergibt sich aus rhythmischer Präzision, oszillierenden Texturen und sanfter Melancholie. In ihrem minimalistischen Sounddesign bedient sich Overmono großzügig an der Nostalgie der 90er Jahre und schafft eine augenblickliche Vertrautheit.
Mal puristisch, mal ausladend holt „Good Lies“ die glücklich-besoffene Festivalstimmung samt Lasershow direkt ins Wohnzimmer. Overmono denken altbekannte Klänge neu und hypnotisieren auf Albumlänge mit einem Kaleidoskop aus ätherischem Techno und groovigen Beats.