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Tanlines – The Big Mess

Gitarrist und Frontsänger Eric Emm und Percussionist Jesse Cohen – zusammen Tanlines – kommen im lang erwarteten dritten Studioalbum “The Big Mess“ nicht so richtig auf einen Nenner. Das liegt wohl allem voran daran, dass sich die Platte als ein heimliches Solo-Projekt von Emm herausstellt: Und das ermattet durch emotionale und handwerkliche Unnahbarkeit.

Tanlines’ Debütalbum “Mixed Emotions“ reihte sich damals 2012 zusammen mit M83 in eine neue Art von zeitgeistlichen alternativen Indie-Pop ein, der sich bis heute in weiten Teilen aus elektronischen Komponenten speist. Nach drei Jahren erschien unter dem Titel “Highlights“ dann eine Homage an diesen neuen Sound, der sich nicht länger nur dem Standard-Setting einer Rock-Band bedienen wollte. Dem atmosphärischen Coming-of-Age-Charakter kam der Dream-Pop-Klang hinzu – und so etablierte sich das Duo als gern gehörter Vertreter im Indietronic.

Insbesondere die herausstechende Mixtur aus simpel gestrickten Texten und einem breit gefächerten Instrumenten-Korpus, die die Kompositionen vielschichtig sowie spannend ausgestalteten, machten die Musik von Tanlines damals aus.

Nach acht Jahren ist nun nicht nur die Zeit bei den zwei Amerikanern ins Land gezogen, sondern auch die Veränderungen, welche sie mit sich bringt. Letztendlich reduziert sich hier das Duo auf die Frage: Aufrechterhalten oder solo weitermachen? Nachdem sich Jesse Cohen aus dem Musik-Business zurückgezogen hatte, gab er seinem Kollegen und Freund die Erlaubnis oder die Aufforderung, Tanlines alleine weiter zu tragen.

“The Big Mess“ ist damit das Ergebnis einer Entwicklung, die die beiden nicht miteinander – als Tanlines – hinter sich haben, sondern eine rein individualisierter Weg, der leider nichts mehr mit dem Ruf der Band zu tun hat. Klanglich ist der inoffizielle Abgang von Cohen klar hörbar, weil nun bei den Songs nicht mehr die Rhythmik den Ton vorgibt, sondern die Gitarren, die Stimme – Emm’s Gebiet.

Textlich bewegt sich “The Big Mess“ im projizierten Spannungsfeld einer bemühten Vater-Sohn-Beziehung, die Emm mit seinem Sohn aufzubauen versucht und auf der Platte reflektiert. “Introspective masculinity“ nennt er das und begründet damit den merklichen Themenumschwung auf dem neuen Tanlines-Album. 

Diesem Ansatz geht deshalb auch die verstärkt akustische Umsetzung voraus: Obwohl die Fähigkeit zum Experimentieren nicht verloren gegangen zu sein scheint, wiederholen sich Songstrukturen, recyceln sich instrumentale Kompositionen, führen Lyrics ins Nichts und holen emotional nicht ab – auch auf einem analytischem Level.

Emm widerspricht dieser Beobachtung nur teilweise: “I think of these songs as Rothko paintings: They’re big and they’re bold and they’re seemingly straightforward, but they have a lot of depth and they engage with you and make you feel something.“

Ohne etwas an konkreten Tracks festmachen zu können, hat “The Big Mess“ die Chance auf ein ikonisches, aber vor allem auf ein emotionales Comeback verpasst. Erwartungshaltungen lassen sich nach 11 Jahren weder vermeiden noch überschreiben, gerade deshalb wäre die zweite Option vom Emm die Bessere gewesen: Neues Projekt, neue Fans, neues Glück. 

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