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Water From Your Eyes – Everyone’s Crushed

Mama sagte früher zu allem außer Modern Talking: “Das ist alles, aber keine Musik, das ist ja bloß Lärm!” Und im Falle des neuen Albums “Everyone’s Crushed” von Water From Your Eyes hat sie nicht mal so unrecht.

Im Interview verrieten die beiden Mitglieder des Duos Rachel Brown und Nate Amos, dass sie versuchten, im Sinne und nach den Regeln der “Seriellen Musik”, einer Weiterentwicklung von Arnold Schönbergs Zwölftontechnik, zu komponieren. Damit klingt “Everyone’s Crushed” initial eher mathematisch und sperrig als melodisch und eingängig – was nicht bedeutet, dass ihre Musik nicht zugänglich wäre.

Bereits der Opener “Structure” beißt und stottert wie ein Telegramm. Es ist ein Vorgeschmack auf die geballte Fülle an Dissonanz und Seltsamkeit des gesamten Longplayers. Metallisches Gehämmere, verworrene Melodien, verkeilte Rhythmen und Songtexte, die viel Interpretationsspielraum geben, reißen die Mauern der popmusikalischen Gefälligkeit ein.

Zwischen Atonalität und Tanzbarkeit wird man in “Barley” mit zusammengewürfelt wirkenden Textfragmenten bombardiert: “One, two, three, counter, you’re a cool thing, count mountains, shh, okay, jealous sky to tame, psst“ Musik und Lyrics ergeben ein befremdliches, aber einprägsames Gewitter im Kopf.

Der flirrende Titeltrack “Everyone’s Crushed” beginnt wie das musikalische Leitthema eines Serienmörders aus einem Teenie-Film der 80er Jahre. Heimtückisch und beunruhigend kreisen die zerbröselnden Klangschichten um den immer leicht variierenden Refrain im Zentrum.

“Open” wankt zwischen einem Soundcheck und einem Radiosuchlauf umher. Verschiedene Soundcollagen schieben sich aus allen Richtungen übereinander, bis sie unter ihrer eigenen Last einbrechen. Krächzende Gitarren und das Freizeichen eines Telefons beenden den Track.

Wie Kopfschmerzen an einem Katersonntag galoppiert “True Life” über kratzige Basslinien und alarmierende Hooks. Nach einer kurzen Lärmpause in der Mitte des Songs fordert die Sängerin: “So tell me something, tell me something I haven’t been told”. Legitim, immerhin bieten Water From Your Eyes Musik, die man so womöglich noch nicht gehört hat.

Für Ruhepausen inmitten dieses konstruierten und wohl platzierten Chaos sorgen “Remember Not My Name” und “14”. Wie ein Cover von Radiohead gibt sich “14” als längster Track des Albums der gestrichenen und gezupften Schwermut der Streicher hin. Über krumme Harmonien legen sich zahlreiche Wiederholungen der insgesamt nur fünf Zeilen – mitunter sehr bildhaft: “I’m ready to throw you up”. Balladesker wird es auf „Everyone’s Crushed“ nicht mehr.

“Everyone’s Crushed” klingt, als würden Kleinkinder mit Legosteinen und Küchenutensilien musizieren. Alle hauen drauf, wahllos, aber höchst motiviert. Daraus entsteht ein erfrischender Brei aus extrovertierten und konventionellen Ideen. Water From Your Eyes zeigen, dass das Potential von Popmusik noch längst nicht ausgeschöpft ist.
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