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Sigur Ros – ÁTTA

Dafür, dass ein neues Sigur-Rós-Album schon lange avisiert war, ging dessen Erscheinen gestern wenig spektakulär über die Bühne. Erst vor wenigen Tagen war die erste „ÁTTA“-Auskopplung zugänglich, schon steht ihr achtes Studiowerk in den Online-Regalen.

Die Rückkehrer Kjartan Sveinsson, Georg Hólm und Frontmann Jón Þór „Jónsi“ Birgisson befassen sich zehn Jahre nach „Kveikur“ – dem Cover-Artwork folgend – mit brennenden Themen der Zeit, zeichnete Vorbote „Blóðberg“, verstärkt durch die Bildgewalt des zugehörigen Videos, ein dystopisches Gemälde einer von Menschenhand geschaffenen, lebensfeindlichen Umwelt.

Musikalisch bedienen sich Sigur Rós auf der auf verschiedenen Kontinenten eingespielten Platte umfänglich der Mittel, mit denen ihre gebremste Diesseitigkeit berühmt wurde: Elegische Keyboardflächen bereiten das Fundament, über dem sich das Jónsi-Falsett emporschraubt, kontrastieren letzte aufblitzende Post-Rock-Splitter die flächige Harmonie der Arrangements.

Bedeutungsschwer baut sich die Klangkulisse auf, mit Unterstützung des 41-köpfigen London Contemporary Orchestra, welches das Trio auch auf dem europäischen Teil der kommenden Tour begleiten wird, wird ein Spektrum von sich stetig verdichtender orchestraler Intensität bis zum vagen Tonfragment abgedeckt.

Dem Himmlisch-Sphärischen, mit dem „Glóð“ das Album eröffnet, steht die Opulenz von „Skel“ gegenüber. Stoisch zieht „Klettur“ mit seiner innewohnenden Dramatik alle Register jener Musik, von der man sich seit „Ágætis byrjun“ nur zu gern durch Raum und Zeit tragen lässt.

Dem Anliegenden der Musiker, den Sound dato den teils dunklen, elektronischen, Grundtenor vom Vorgänger zu entziehen, wird größtenteils entsprochen.

Ob „Mór“ in entrückter Schönheit flieht, um ausgangs von tiefen Moll zurückgeholt zu werden, „Andrá“ für Momente nur mit einer leisen Gitarre auskommt, „Gold“ im Dream-Pop-Ambiente glitzert, „Ylur“ an ihr Frühwerk denken lässt oder „Fall“ durch die Einsamkeit hallt – die Verletzlichkeit der Schöpfung zwischen den Naturgewalten bleibt immer präsent, auch wenn den Stücken der dynamische Unterstrich von Ex-Drummer Orri Páll Dýrason fehlt.

Mit dem Sternen-Folk vom „8“ ins Ungewisse aufbrechend, gelingt es Sigur Rós mit „ÁTTA“ für eine knappe Stunde, den erdrückenden Krisen mit anmutiger Schönheit zu begegnen.

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