MusikBlog - Entdecke neue Musik

Birdy – Portraits

Schon die ersten Sekunden von “Portraits” wirken wie ein Katapult, das ohne Umwege in die Vergangenheit transportiert. Mit einem Ruck beginnt Birdy in “Paradise Calling” die Neuerfindung, von der einfühlsamen Songschreiberin hin zur wandelbaren Pop-Dirigentin mit einem Faible für die 80er, Synths und Pathos.

“Skinny Love”, das Bon-Iver-Cover, mit dem Birdy vor mittlerweile über zehn Jahren vermutlich sogar das Original überflügelte, gibt für viele bis heute das Maß vor, an dem Birdy gemessen werden muss. So fehlte uns auch in ihrem letzten Album “Young Heart” das Quäntchen unbeschwerter Kreativität, das selbst ein Cover zu ihrem ganz eigenen Song machte.

Sollten wir also auch “Portraits” wieder an dem Song messen, der doch eigentlich die existenziellen Leiden eines anderen Künstlers beschreibt, oder einen Blick auf die Künstlerin werden, die auch wirklich auf dem Cover steht? Wir haben uns für letzteres entschieden.

Denn, wer sich “Portraits” ganz unvoreingenommen nähert, wird schnell feststellen, dass Birdys nostalgischer, beizeiten minimalistischer und dann doch wieder fast threatralischer Pop-Entwurf vielleicht so zeitgemäß klingt, wie es einigen der vielen Vorgängeralben nicht gelungen ist.

Anstatt den Vergleich zu Justin Vernon aufzumachen, der sich mittlerweile eher vom emotionalen Eigenbrötler zum mathematisch arbeitenden Chirurgen der modernen Popmusik gemausert hat, lohnt sich vielleicht eher ein Blick auf die Künstler*innen, die sich jetzt mit Birdy vergleichen ließen.

Da wäre “Ruins I”, das sich in seiner beinahe klerikalen Atmosphären verliert und zeitweise an London Grammar und Christine And The Queens erinnert. Besonders letzterer hat uns auf seinem aktuellen Album mit “wild spirituellen Gesängen” überzeugt. Adjektive, die wir unerwarteterweise auch Birdys aktuellen Album zuschreiben würden.

Birdy wagt sich ebenfalls an die großen Pop-Hymnen heran und stellt mit “Heartbreaker” eine eingängige und eindringliche Komposition zustande, die in ihrem Stakkato an frühere Haim-Tracks erinnert.

Ob “Skinny Love” sich jemals aus den Top 5 ihrer Streaming-Charts verziehen wird, bleibt fraglich. Dass sich Birdy mit “Portraits” aber endgültig von einem Sound emanzipiert hat, den sie mit 14 (!) Jahren geprägt hat, steht nicht mehr zur Debatte. In dem Alter sind wir vermutlich unmotiviert in der Mittelstufe versauert, und das Zeugnis will heute auch niemand mehr sehen.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke