„Von brotloser Kunst zu Fokus auf uns“ rappt Samy Deluxe im Opener „Martinshorn“ und fasst damit direkt nochmal zusammen, warum ein Rap-Album heutzutage auch ganz unironisch „Hochkultur 2“ heißen kann. Seit der Hamburger 2001 mit „Samy Deluxe“ sein Debüt veröffentlichte, sind Hip-Hop und Rap von Subkultur zu Mainstream geworden. Als „Rap-Veteran aus dem Ältestenrat“ hat Samy dazu einiges zu sagen.

Zum offiziellen 50. Geburtstag von Hip-Hop erscheint der Nachfolger von „Hochkultur“ aus dem Jahr 2019 perfekt getimt für eine Platte mit Sound-Ansage. Statt Gepose, tausend Schichten Autotune oder Battle-Rap setzt Samy Deluxe auf Storytelling und einen ziemlich schicken Sound. Im Closer „Blanco Check“ schreibt sich Samy dafür Conscious-Rap auf die Flagge. Passt.

Denn überhaupt ist auf dieser Platte sehr viel vom Ami-Rap-Zeitgeist zu entdecken –  etwa wenn „Everything“ mit großen Background-Chören und fein ausgewählten Instrumenten auffährt, „Kalte Füße“ dem Storytelling eine Jazz-Fläche kredenzt oder „Last Exit“ mit dichten Bässen und Beats in die volle Breite geht.

Aber natürlich gibt es auf „Hochkultur 2“ auch einige Tracks, die kurzzeitig vergessen lassen, dass das Millennium bereits überstanden ist: „Roter Velour“ (feat. DJ Desue) versorgt die Hörer*innen zuverlässig mit authentischen Scratches und Samples und bei „ASD Track“ (feat. Afrob) gibt es ein Wiedersehen mit dem gleichnamigen Duo der beiden Musiker.

Unter den 18 Songs der Platte dürfen aber natürlich auch ein paar experimentellere Ansätze Platz nehmen. „Yves Klein“ zum Beispiel, der ganz ungeniert entspannten Trap mit dem Original-Samy-Deluxe-Sound verbündet. Oder „Instinkt“, der mit seiner Sound-Tiefe auch auf der großen Leinwand funktionieren würde.

Überhaupt Sound: Der ist auf ganzer Album-Länge präzise, glasklar und macht die Platte zu einem echten Hörvergnügen. Von einzelnen Boomer-Sprüchen wie „Selbst Veganer brauchen Beef“ („Vendetta“) mal abgesehen, ist „Hochkultur 2“ sonst auch grundsätzlich ein unterhaltsames, abwechslungsreiches und stimmiges Album.

Ob ein Rapper, der auch schon bei „Sing meinen Song“ auf der Couch saß, und dann auch noch diesen bewussten Gegenentwurf zum aktuellen Deutsch-Rap spielt, dabei heutzutage noch eine Zielgruppe findet?

Samy Deluxe scheint mit der Antwort Frieden gefunden zu haben und spricht sie in „A.S.A.“ (feat. JuJu Rogers“) selbst aus: „Die Musiklandschaft ist seelenlos wie ’ne Plastikpflanze / Beim schnellen Scrollen sehen die Menschen die kleinen Details nicht.“ Aber abwarten: Diese Platte hätte zumindest mehr verdient.

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