Die Berliner Band Milonaut hat ihr neues Video zu „Poison Tree“ veröffentlicht, einem Song, der auf einem Gedicht von William Blake basiert. Das Video feiert bei MusikBlog heute Premiere.
Milonaut besteht aus vier menschlichen Wesen und ihrer Musik. „Milonaut ist laut und leise, verspielt und weise. Fest und verschwommen, weit und nah. Sphärisch. Einsam und zusammen“. Sagt die Band über sich.
Moritz Klatt, Linus Haagen, Gregor Nicolai und Felix Demeyere machen Musik, „um englische Barockpoesie mit ihrer eigenen Klangsprache zu verbinden“. Sagt die Presseinfo über die Band. Stimmt nicht ganz.
„Poison Tree“ ist ein Gedicht von William Blake, einem Dichter, Maler und Kunstdrucker, dessen Werke und ihre Bedeutung für die Romantik erst lange nach seinem Tod anerkannt worden. Am Anfang rebellisch, am Ende mystisch wird er in Angelsachsen gerne zitiert, zum Beispiel von Bob Dylan, Jim Morrison oder Aldous Huxley.
In „Poison Tree“ dichtet Blake in einfachem Versmaß von der Wut. Wie Hobbypsycholog*innen gerne dozieren, eine der vier Grundemotionen, neben Freude, Trauer und Angst. Wenn aber eine der Emotionen ein echtes Image-Problem hat, dann die Wut.
Dabei würden sich unsere Gesellschaften ohne Wut wenig verändern und es gibt auch in satten, westlichen Demokratien genug Gründe wütend zu sein. Ach was: An manchen Tagen braucht man eine homöopathische Dosis Wut, um morgens überhaupt aufzustehen.
Bei Blake und im Song “Poison Tree” gibt es gleich zwei Methoden, wie man mit der Wut umgehen kann: Entweder man erkennt sie, öffnet sich, bespricht und überwindet sie schließlich oder man vergräbt sie in sich und füttert sie heimlich weiter, bis daraus ein Baum wächst, dessen Früchte tödlich giftig sind.
Der Song „Poison Tree“ bietet den treibenden, unermüdlichen Beat von Schlagzeuger Felix Demeyere, den einfühlsamen Bass von Gregor Nicolai, rhythmisch-harmonische und auch melodische Keyboardklänge von Linus Haagen und sphärische Synthiewolken von Moritz Klatt.
Darüber liegt der Gesang, auch von Moritz, der nicht nur in diesem Song, sondern auch im Video die Hauptrolle spielt. Obwohl das Gedicht von Blake von der Metrik eher ein Kinderreim ist, scheint hier eine große Stimme mit Umfang und Präzision durch.
Das Scatting-Solo in der Songmitte, das die beiden Teile des Songs und des Gedichts zusammenklebt, ist purer Jazz und eine Wohltat zwischendurch, denn in der zweiten Hälfte wird ja, wie angekündigt, gestorben.
Da ist er wieder! Vor mehr als hundert Jahren geboren, in seiner Jugend dominant, dann eher in Supermärkten und Fahrstühlen zu finden, immer wieder für tot erklärt, aber niemals vergessen: Der Jazz!
Es braucht nur Intelligenz, Kreativität und vier Klasse-Musiker, und schon ist er zeitgemäß und modern. Und – vielleicht – braucht es auch eine kleine Prise Wut.