Gefühlt ist 2014 gar nicht mal so lange her. Genauso wie die 90er gerade erst zu Ende gingen, wir vor nicht allzu langer Zeit die Jahrtausendwende hinter uns gebracht haben und die 80er nur 20 statt 40 Jahre her sind.

Aber wo es sich noch anfühlt, als sei 2014 erst gestern gewesen, muss man am Ende akzeptieren, dass seitdem ein ganzes Jahrzehnt vergangen ist. Und genau ein Jahrzehnt haben Amatorski auch für ein neues Lebenszeichen in Albumlänge gebraucht

Die Band aus Belgien war in diesen Jahren zwar nicht völlig untätig und zwischen 2015 und 2017 folgten vereinzelte Singles sowie Soundtrack-Arbeiten und multimediale Kunstprojekte. Dennoch war irgendetwas in der Luft, das eine Rückkehr zum kollektiven Arbeiten an einem größeren Ganzen unausweichlich für die Gruppe um Bandleaderin Inne Eysermanns machte.

Mannigfaltige Dinge spornten die Sängerin dazu an, “Curves And Bends, Things Veer” anzugehen: Die Corona-Pandemie, Black Lives Matter, die Beziehung zwischen Mensch und Raum, Zeit und Natur, taoistische Lyrik und Aufnahmen aus Biologie und Anatomie sind da nur die wenigen Dinge, die Eysermanns mit der Außenwelt teilte.

So groß gedacht das Album mit dieser Inspirationswelle auch klingen mag, so kompakt und erdig ist es im Nachhinein allerdings geraten – besonders im Hinblick auf den 2014er Vorgänger “From Clay To Figures”.

Dieser nämlich löste sich weitläufig von irdischen Belangen und experimentierte im schwerelosen Äther mit organischen und synthetischen Klängen, die noch irgendwie an Post-Rock und Dream-Pop erinnerten.

In den 20ern des 21. Jahrhunderts angekommen, lösen sich Amatorski allerdings nur spärlicher vom Boden und genießen lieber den hinteren Teil des Schlagwortes Dream-Pop.

Im Opener “20 04” etwa versteckt sich ein angenehm ruhig fließender, simpler Track hinter atmosphärischen Klängen, die kaum noch greifbar sind und nur subtil preisgeben, ob sie natürlicher oder synthetischer Natur sind.

Noch bravouröser bekommt “Years To Come” den Spagat zwischen Eingängigkeit und wummernden, blubbernden, schummrigen Soundeskapaden hin. Die süße, kleine Hauptmelodie zieht sich standhaft durch den Song, während es drumherum hallig rumort und quietscht.

“Curves And Bends, Things Veer” ist an den richtigen Stellen auf die richtige Art komplex. Dann folgen allerdings Zwischenspiele wie “How You See You Saw”, die lediglich aus einem lang gezogenen Ton in fast zeitloser Atmosphäre existieren und der Albumdynamik eine spannende Vollbremsung verpassen.

Man könnte auf der musikalischen Artverwandschaft zu Beach House pochen und die dream-poppige Ader von Amatorski im Vakuum betrachten. Das würde “Curves And Bends, Things Veer” allerdings in keinster Weise gerecht werden – denn das Album hat einen ganz anderen Anspruch.

Auch, wenn Amatorski auf dem Boden bleiben, ist es nach wie vor das Ausloten von Grenzen und das Erforschen des körperlichen und philosophischen Inneren, das die neue Platte ausmacht – ohne sich selbst im Prozess zu verlieren.

Die Reise ist durchaus nicht einfach – Amatorski aber machen sie mit ihrem ersten richtigen Studioalbum seit zehn Jahren nicht nur erträglich, sondern spannend und abenteuerlich.

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