Erst in der letzten Wochendausgabe diskutierte die hiesige Presse – auch unter Erwähnung von Kettcar – Ticketpreise, schlussfolgernd, dass deren Entwicklung nicht mehr in jedem Fall zum Haushaltsbudget der Fans passt.

Auch wenn man das Haus Auensee bei Gastspielen der Hamburger schon üppiger gefüllt gesehen hat, war das Venue am gestrigen Mittwoch gut besucht, denn Leipzig und Kettcar war schon bei den vergangenen Konzerten eine Kombination, die passt, sind es doch immer generationen-übergreifende Veranstaltungen, die die stete Relevanz ihrer Stücke seit Bandgründung eingangs der Nullerjahre nicht zuletzt per Durchschnittsalter der Fans dokumentiert.

Marcus Wiebusch und seine Kollegen legten just ein Nummer-Eins-Album vor, das – wie sein Vorgänger – ohne erhobenen Zeigefinger mit einer ganzheitliche Betrachtung den gefährlichen gesellschaftlichen Wandlungsprozess auslotet, eine ihrer Kernkompetenzen, die „Gute Laune Ungerecht Verteilt“ schon jetzt zu einer der wichtigsten Platten des Jahres 2024 macht.

Als kurz nach 21:00 Uhr der erste Ton von „Auch Für Mich 6.Stunde“ erklingt, ist der Saal vom Start weg begeisterter Begleiter für die kommenden Stunden, in denen – wie immer – ein Querschnitt durch das Gesamtwerk geboten wird und auch Anekdoten nicht zu kurz kommen, etwa die vom Backstage-Reste-Essen nach dem ersten Gig in der Stadt im Vorprogramm von Bad Religion.

„Hallo Leipzig, alte Lady“ spricht der Frontmann und mit „Benzin Und Kartoffelchips“ von „Ich vs. Wir“ startet die Tour in die Vergangenheit. „Money Left To Burn“, „Balkon Gegenüber“, „48 Stunden“ – kaum angespielt, sind die Melodien und Worte sofort wieder präsent und laden zum nostalgischen Trip durch das eigene musikalische Langzeitgedächtnis ein.

Via „Sommer ’89 (Er Schnitt Löcher In Den Zaun)“ erinnern sich manche Anwesende möglicherweise sogar an den eigenen Lebensweg. Wobei Textsicherheit bei dieser Nummer in den hinteren Reihen gefragt ist, den dem bekannt semi-optimalen Sound im Haus Auensee fehlt es im ersten Drittel am Feinschliff, um das handwerkliche Können der Musiker aus dem St.-Pauli-Fanblock mit der akustischen Verständlichkeit ihre Texte auf ein gemeinsames Level zu bringen.

Kettcar standen nie für Parolen, die Geschichten, die es von „München“ bis „Doug & Florence“ zu erzählen gibt, waren immer von politischer Brisanz und differenzierter Ursachenforschung geprägt. Daneben stehen auch an diesem Abend authentische Liebeslieder, allen voran „Balu“, mit denen der einst von Berliner Zitty Magazin als Barry White des Indie-Pop bezeichnete Marcus Wiebusch durch melancholische Momente führt.

„Der Tag Wird Kommen“ von seinem Solowerk markiert einen atmosphärischen Höhepunkt, der am Ende des Hauptteils mit der vom Auditorium frenetisch gefeierten Hymne „Landungsbrücken Raus“ noch einmal getoppt wird, bevor nach dem Zugabenteil von „Trostbrücke Süd“ bis „Deiche“ das Licht angeht.

Wie schon erwähnt – Leipzig und Kettcar, das passt. Auch am 17.04.2024.

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