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Marcus Wiebusch – Konfetti

Marcus Wiebusch (Credit Andreas Hornoff)Es scheint Tradition, dass deutsche Bands mit Hamburger Hintergrund unbedingt vor dem Auseinandergehen ihre untollste Platte veröffentlichen müssen. Das war bei Blumfeld so (die gibt es wirklich nicht mehr), das war bei Tomte so (Uhlmann: Die Band „ruht jetzt einfach“) und das war zuletzt bei Kettcar so (offiziell nennt man das es hier kreative Pause). Genauso traditionell  hat der jeweilige Ex-Frontmann zügig ein eigenes Album am Start, welches bei Jochen Distelmeyer erwartungsgemäß gut war und auch Thees Uhlmann überzeugte bei seinen erstem Versuch ohne seine ehemaligen Kollegen.

Nun begibt sich also Marcus Wiebusch auf Solopfade. Der gebürtige Hamburger hat in Sachen Musik Einiges auf dem Kerbholz. Nach dem Ende der Polit-Punk Band …But Alive, dort für Gitarre und Gesang zuständig, gründete er zusammen mit Reiner Bustorff Kettcar, deren Musik kein Hansestadt-typischer Diskurspop, sondern unpeinlicher Befindlichkeits-Indie-Rock mit Anspruch war. Vor allem die ersten 3 Alben enthielten mit „Graceland“, „Deiche“, „Stockhausen, Bill Gates und ich“ oder der St. Pauli Hymne „Landungsbrücken raus“ unkaputtbare Gassenhauer. Aber auch neben seinen Bands hat sich Wiebusch in Sachen Musik verdient gemacht, hatte mit B.A. Records seine eigene Plattenfirma auf dem u.a. Frühwerke von Tomte erschienen und war später Mitbegründer vom Label Grand Hotel van Cleef. Außerdem gilt er auch als Gitarrenlehrer von Olli Schulz und gab Schauspieler Jürgen Vogel Gesangsunterricht.

“Konfetti” heißt das Album und der Starter „Off“, klingt schon mal verdächtig nach einem Kettcar Song ohne Kettcar. Die Platte hat aber mit bunten Schnipseln seiner musikalischen Vergangenheit nichts zu tun, eher mit einer breiten Streuung von Themen, mit denen sich auf ihr beschäftigt wird. Denn anders als bei den Inhalten von Kettcar Songs, die sich weitgehend mit den Konsequenzen tagesaktueller Ereignisse in den Beziehungen einer übersichtlichen Anzahl von Menschen beschäftigen, bekommen hier die meisten Stücke eine klare Positionierung gegenüber sozialen und politischen Themen der Gegenwart.

Als diesbezügliches Highlight ist natürlich das 7-minütige „Der Tag wird kommen“ zu nennen, die Outing Geschichte eines Nachwuchs Fußballers (natürlich schon vor Hitzlsperger verfasst und von Corny Lippmann durchgewunken), welche die ganze Verlogenheit unserer Brot und Spiele Gesellschaft beleuchten will und an deren Ende die Sucht nach Freiheit eine reaktionäre Fußball-Welt hinwegfegt. „Nur einmal rächen“  und „Haters Gonna Hate“ bleibt nicht bei vagen Andeutungen stecken, sondern gibt den Shitstorm gedissten Namen und Gesicht.

“Jede Zeit hat ihre Pest“ legt dann den Finger in die Wunde des universellen Hipsters, der für Selbstinszenierung scheinbare jede Würde verloren hat (über die Rap Einlage in diesen Song lege sich lieber der Mantel des Schweigens). Das melancholisch über dahinsiechende Freundschaften erzählende „Wir waren eine Gang“ und das metaphorisch zwischenmenschliche „Der Fernsehturm liebt den Mond“ wachsen dann wieder auf dem Nährboden der wunderbaren Wiebusch-Lyrik.

„Das Album zeigt meine Experimentierfreude, mit elektronischen Impulsen, Sprechgesang, Bläsern“ sagte der Künstler im Interview mit MusikBlog, eine Vielschichtigkeit, die auch durch 7 verschiedene Produzenten und noch viel mehr involvierte Musiker erreicht wurde. Insgesamt wirkt “Konfetti”, welches sich neben Piano-Balladen und Elektro-Stampfern auch noch durch den kompletten Instrumenten-Fundes eines Schulorchesters spielt, aber überladen und es bleibt die Frage, wer mit diesem Aufgebot eigentlich erreicht werden soll.

Außerdem ist noch zu klären, was die Bandkollegen in dieser kreativen Pause machen, vermutlich die Nummern neu zu Kettcar Stücken arrangieren. Denn bei dem einen Solo-Album wird es doch wohl bleiben, oder Marcus?

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