Wer von euch hat auch erfolglos versucht Gitarre zu lernen ? Bei Jessica Pratts älterem Bruder war das wohl der Fall und ein Grund, warum er seine Stratocaster an seine Schwester weitergab. Diese bewies mehr Durchhaltevermögen und hat sich im Alter von 15 Jahren das Saitenspiel beigebracht, was wiederum Jahre später zu ihrem vierten Longplayer “Here In The Pitch” geführt hat.
Die kalifornische Folkmusikerin zeigt nach ihrem mittlerweile fünf Jahre altem Album “Quiet Signs” ein breites Spektrum an Folkmusik. Das hat bereits so manche Kritiker*in freudig jauchzend Vergleiche mit Joni Mitchell, Karen Dalton und anderen anstellen lassen, welche zwar nicht von der Hand zu weisen sind, aber Jessica Pratt weiß um ihr Alleinstellungsmerkmal.
Diese Stimme! Süß näselnd durchs Elfenland huschend, trällert Pratt in Titeln wie dem hippiesken Sixties-Track “Better Hate” inklusive LaLaLa Gesängen die kalifornische Sonne durch die heimischen Lautsprecher, bleibt im nachdenklichen “Life Is” dem Jahrzehnt melodisch treu.
Die erzeugte Atmosphäre nutzt Pratt, um mit “World On A String” und “Get Your Head Out” Emotionen im Schwof der Instrumente zu verarbeiten. Dabei zeigt sich speziell letzterer Titel als hoffnungsvoller, verträumter Optimist, der in Pratts ganz eigenem Sprechgesangstempo eine beinahe magnetische Wirkung erzeugt.
“Here In The Pitch” übt sich im Müßiggang, “By Hook Or By Crook” schwoft sich als Barbeschallung fest, der stetig effektbeherrschte Gesang von Pratt säuselt sich bei “Nowhere It Was” mit düsteren Gedanken – zwischen der dritten und vierten Etage im Aufzug – fest, bevor die einschläfernde Orgel die Zeit vergessen lässt.
Glücklicherweise geistert nicht alles derart antriebslos im Folk-Vakuum. “Empires Never Know” greift zur Piano- und Streicherbegleitung. Stimmlich erhaben zaubert Pratt ein harmonisches, stimmiges Kleinod.
Das kurze “Glances” dient mit akustischem Gitarrenspiel im Pet-Sounds-Gewand als Überleitung zum letzten Track “The Last Year”. Der saitengriffige Titel bestärkt Emotionen mit einem positiven Mindset und sehr klassischer Folkausrichtung.
Jessica Pratt beschwört die Liebe, geleitet trällernd das Klavier zum Outro und beschließt ihr Album mit einer deutlich positiveren Stimmung, als sie in den vorigen Tracks vermitteln konnte.
“Here In The Pitch” zeigt sich als wandlungsreiches Folkalbum, welches seinen Pulsschlag jedoch zu sehr auf Pratts Stimme und Emotionen konzentriert. Das gewöhnungsbedürftige Organ ist sicherlich herausragend, aber gleichzeitig auch die größte Hürde für neue Hörer*innen.
Die Produktion orientiert sich am Sound der 60er und weist wenig moderne Einflüsse auf, zelebriert jedoch das Jahrzehnt mit einer Bandbreite an Einflüssen; vom Bossa Nova hin zum prägenden Beach-Boys-Sound finden sich verschiedenste Soundelemente ins Folkgewand gepresst – alles dirigiert von Jessica Pratt und ihrem Gitarrenspiel.
Stellt sich die Frage, ob sie die Stratocaster von ihrem Bruder noch bespielt?