Das Rentenalter steigt an. Auch bei Musikern. Während sich Grottenolme wie Mick Jagger & Co. durch die Stadien zelebrieren, findet sich Seasick Steve mit selbstgebastelten Instrumenten und ganz viel Bluesrock in den kleineren Clubs wieder.
Seasick Steve ist ein Spätberufener, der 73-Jährige veröffentlichte erst vor 20 Jahren sein erstes Soloalbum; er ist dennoch in der Musikwelt kein Unbekannter. Der Mann mit der ausufernden Lebensgeschichte, hat als Steve Wold in den 90ern u.a. die ersten beiden Alben von Modest Mouse produziert. Wer diese kennt, hat eine Ahnung davon, wie verschroben knarzig der Sound des Rockmusikers ist.
Seasick Steve erzählt auf seinem neuen Album “A Trip A Stumble A Fall Down On Your Knees” von seinem ereignisreichen Leben, seinen vielseitigen Erfahrungen und spart auch nicht mit Sozialkritik.
Dabei hat er stets ein zwinkerndes Auge parat, wenn er z.B. bei “Move To The Country” denen droht, die sein Eigentum ungewünscht betreten oder die “Internet Cowboys” im feinsten Countryzwirn belächelt.
Feinster Zwirn wird auch musikalisch geboten, ob countryesk rockend mit Harmonika im Mundwinkel oder schwermütig über die Straßen des “San Francisco Sour” strollend, die Bluesgitarre singt stets die Zweitstimme.
Die Atmosphäre ist alles, was zählt bei Seasick Steve, der seinen Spitznamen einer wohl etwas schwankenden Fährfahrt zu verdanken hat. Seine erstaunlich klare, aber bluesig angehauchte, tonale Stimmlage croont sanfte Ohrenschmeichler wie “A Trip And A Stumble” ebenso wie die “Funky Music”, welche die Extremitäten wackeln lässt.
Ja, der alte Herr ist ein Meister seines Fachs. Zahlreiche Instrumente von Hammond Orgel über eine Bläsersektion bis hin zu seinen selbstgebastelten Instrumenten begleiten Seasick Steve und seinen Blues, den er mal emotional fingerschnippend, wie bei “This Way” zelebriert, nur um kurz darauf mit dem “Backbone Slip” den trockenen Wüstenstaub mit Groove in den Saiten auszuklopfen.
Seine Motivationshymne “Let The Music Talk” schwört hypnotisch holprig auf schnarrende Saitenklänge ein, um auf das Highlight “You Don´t Know” einzustimmen. Ein souliges Intro täuscht nicht drüber hinweg, dass ordentlich Leben durch diesen Titel pulsiert. Der Blues liegt schwer wabernd in der Luft, saugt sich im Chorus immer wieder durch die Lungen von Seasick Steve und explodiert letztendlich in einem wahrlich befreienden Drumeinsatz.
Seine Sorgen über unsere Umwelt und die Arroganz der Menschheit verarbeitet Steve mit Soulbegleitung auf “Cryin`Out Loud”, einem wuchtig instrumentierten Bluesstück, das sich den rockenden Aspekten verschrieben hat.
Diese wiederum lässt “Soul Food”, für eben diese Nahrung, auf der Strecke liegen. Erdiger Saitenschlag trifft auf Fast Food Kritik, coole Bluesvibes auf einen groovend eingestimmten Steve.
Davon leben Alben wie diese. Aber auch von gefühlvollen Tracks wie “Elizabeth”, dessen Melancholie in der Mundharmonika akustisch umgesetzt wird.
Dass der Blues von Seasick Steve wohl gereift ist, hört man dem Dutzend Tracks an. Fein abgestimmt vereint der Musiker hier alle klassische Genreinstrumentierungen, stets auf das Saiteninstrument zentriert.
Das erdet, das groovt und vor allem scheint der Bluesrock ein wahrer Jungbrunnen zu sein, denn das Rentenalter merkt man Seasick Steve keinesfalls an.