Habt ihr auch so ein ausgewaschenes Kleidungsstück zuhause ? Ein altes Bandshirt von dem man sich nicht trennen möchte ? Bei dem man den Print kaum mehr erkennen kann, die Bedeutung aber noch immer klar ist ? Solche Shirts scheint auch Ernest Greene zu besitzen, auch bekannt als Washed Out.

Washed Out beeinflusst seit nunmehr 15 Jahren die Chillwave- und LoFi Pop-Szene nachhaltig. Die 2009 veröffentlichte „Feel It All Around“-EP rotiert immer noch in den Beachbars dieser Welt, aufgenommen im heimischen Schlafzimmer von Ernest Greene.

Auch für seinen neuen Longplayer „Notes From A Quiet Life“ hat er sich zurückgezogen. Eine Pferderanch diente als Rückzugsort und Inspiration für zehn Titel voller Müßiggang.

Schon auf dem Cover spielt Washed Out mit seinem Hang zum Analogen, seiner Liebe zu Polaroidaufnahmen und dem künstlerischen Anspruch, der dem Video zu „The Hardest Part“ so gut getan hat. Eine endlose AI-gestützte Kamerafahrt sollte Grund genug sein, eure Playlist zu erweitern.

Doch zurück zur Musik, die bereits mit „Waking Up“ sanftdrippelnd elektronisch aus den Lautsprechern tropft. Greenes Gesangseinsatz wirkt auf Albumlänge ungewohnt energisch, wenn auch nicht aufdringlich, erhält er sich doch die nötige Zurückhaltung, um dem Sog der Musik nicht entgegenzuwirken.

Der indieske Soundappeal zeigt sich auch im romantisch verklärten „Say Goodbye“ mit 80s Synthie-Schulterpolstern und dem eingetrichterten Gefühl, der Sonne entgegen zu fahren.

Halleffekte begleiten die Casio-Keyboard-Effekte von „Got Your Back“, die sein georgeltes Fundament ebenso gut zu verstecken wissen wie den entrückt hymnischen Refrain.

Das bereits angesprochene „The Hardest Part“ hingegen beginnt als Italo-Disco-Versatzstück mit College-Teenage Romantik, welches den großen Herzschmerz auf allzu zähem Gesangsbrei darbietet.

In dieser Welle chillt es sich weniger, das kann man beim folgenden Titel „A Sign“ umso mehr. Washed Out nutzt den emotionalen Wirrwarr, um mal Tacheles zu singen, surft dabei auf der Synthiewelle des Lo-Fi-Pop und samplet sich direkt in die Gehirnzellen der Glückseligkeit.

Pulsierend nachdenklich zaubert sich „Second Sight“ im Downtempo außerhalb der Aufmerksamkeitszone, nur um „Running Away“ den roten Teppich auszurollen. Denn was sich hier smooth im 80s Popsound inklusive Drummachine durch den Äther mogelt, wird zur Dauerrotation auf dem Album. Die Vinylrillen fräsen sich an diesem Titel besonders schnell aus und eure Freundin wird dem Drang nicht widerstehen können, sich eine Dauerwelle zuzulegen.

Zurück in die Gegenwart mäandert sich „Wait On You“ mit einem ziemlich coolen Voicesample, der den ansonsten spannungsarmen Track wiederhörenswert macht.

Spannungsarm ist leider auch eines der Stichwörter des Albums, mit Tracks wie dem pluckernden „Wondrous Life“ liegt eine Blaupause vor, wie man aufgebaute Spannungsbögen in der Endlosigkeit des Alls verschwinden lässt.

Schade, denn Washed Out versteht sein Handwerk, wie „Letting Go“ zeigt. Sphärisch überlagernde Synthesizer vermählen sich mit zart zupfenden Saitenklängen auf Greenes einfühlsamem Gesang. Allerdings auch ein letztes Mal auf „Notes From A Quiet Life“.

Washed Out darf sich gerne als einer der Genrevertreter des Chillwave sehen. Die Zurückgezogenheit des Produktionsprozesses erkennt man in selbstreflektierten, emotionalen Titeln, denen es ein wenig an erlösenden Klangmomenten fehlt.

So ersticken manche Titel im synthesizernden Mäandertum, während uns Greene andererseits Hymnen und vertrackte Samples präsentiert, die Lust auf mehr Klangfreuden machen.

Letztendlich ist auch Washed Out wie eines dieser Band-T-Shirts. Man weiß, wie cool das mal war, aber irgendwie ist es doch schwammig in Erinnerung.

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