An den 19. Juli 2024 wird sich Ryan Patrick Hooper wohl noch lange erinnern. Der Radiomoderator aus Detroit präsentiert in seiner Show „In The Groove“ regelmäßig neue Musik. Diesen routinierten Journalisten bringt so schnell nichts aus der Ruhe – bis er aus Versehen das neue Album „No Name“ von Jack White veröffentlicht.

„Ich bin heute Morgen zu Third Man Records gegangen, um ein wenig zu shoppen“, erinnert sich Hooper. „An der Kasse haben sie mir etwas in die Tasche gesteckt, eine geheimnisvolle Platte mit einem weißen Etikett. Darauf stand einfach ‚No Name‘.“

Third Man Records ist das Label von Jack White, und in Detroit betreibt das Unternehmen einen eigenen Plattenladen. An diesem Tag wurden die Kassierer angewiesen, jedem Käufer kostenlos eine weiße Schallplatte in die Einkaufstüte zu stecken. Keiner von ihnen weiß, von wem die mysteriöse Scheibe stammt, geschweige denn, was darauf zu hören ist.

Als Hooper an diesem Tag auf Sendung geht, ahnt er noch nichts davon, dass es eine Weltpremiere wird. Während er einige einleitende Worte an seine Zuhörer richtet, geht er zu seinem Plattenspieler, auf dem bereits die weiße Vinyl liegt. Und drückt „Play“.

Die ersten Akkorde erklingen, und schnell wird klar: Das ist tatsächlich Jack White. Verzerrte Bluesgitarren, scheppernde Drums, und ein Gesang ohne Kompromisse. Und man fragt sich direkt: Sind The White Stripes wieder zusammen?

Was da aus den Boxen dringt, ist cleaner Garage-Rock, und im Kopfkino laufen wieder all die Musikvideos der frühen 2000er Jahre, als The White Stripes ihren großen Durchbruch feierten. Bis dann bereits 2007 mit dem Album „Icky Thump“ alles schon wieder vorbei war.

Seitdem ist Jack White als Solokünstler unterwegs. Und hat seine Finger in verschiedene Klangtöpfchen gesteckt – von Folk und Blues bis Alternative-Rock und Elektro.

Auf „No Name“ (so zumindest der Titel eines Albums ohne richtigen Titel) gibt Jack White seinen Fans wieder das, was ihn einst groß gemacht hat: Aufrichtigen Rock mit klarer Botschaft; mal schneller, mal langsam, aber immer nach vorne dringend wie eine mit brennenden Gitarren verstärkte Dampframme.

Nachdem er die ersten Songs live on Air gespielt hat, ist Ryan Patrick Hooper jedenfalls hörbar begeistert. „Das ist brandneue Musik von Jack White“, sagt Hooper. „Und wir hören sie hier zusammen zum ersten Mal.“

Noch am gleichen Tag veröffentlicht Third Man Records über Instagram den Aufruf „Rip It.“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Raubkopiert es Euch!“. Die Fans gehorchen gerne. Sie verbreiten Hoopers Radiosendung und die Songs von „No Name“ in unzähligen YouTube-Videos.

So kursiert durch geniales Marketing bereits an jenem Freitag ein Album über den Äther, das es eigentlich noch gar nicht gibt. Erst zwei Wochen später, am 2. August, folgt dann das offizielle Release.

Am Ende bleibt die Frage, ob es solche Aktionen braucht, um auch in Zukunft Schallplatten zu verkaufen. Seit Jahren hat Vinyl zwar ein echtes Revival hingelegt, aber nur innerhalb einer eingeschworenen Gemeinde von DJs und Musikliebhabern. Die Verkaufszahlen bleiben weit hinter den goldenen 80er Jahren zurück, als jährlich zwischen 60 und 70 Millionen Schallplatten verkauft wurden.

Ryan Patrick Hooper ficht das nicht an. Er legt auch weiterhin spontan Platten auf, um diese magischen Momente einzufangen, wenn man etwas zum ersten Mal hört. Oder, wie er sagt: „Alles was zählt, sind zwei Ohren und ein Herz.“

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