Caribou zieht die Quadratwurzel von Stille. Auf seinem neuen Album “Honey” löst er Gleichungen von Ruhe auf und verwandelt das Ergebnis in ein analytisches Feuerwerk aus Ideen. Wie ein Zen-Meister mit ADHS, der seine Schüler beim Meditieren stört.

Erinnert sich noch jemand an an “Suddenly”? Dieses Album, mitten im Malstrom der Corona-Zeit veröffentlicht, bevölkerte die Playlists so mancher einsamen Dance-Party in Wohnzimmern, Küchen und Duschen. Das Zeugnis eines Augenblicks, in dem Musik zur Medizin wurde.

Das neue Album “Honey” erinnert daran. Man denkt wieder an Hit-Songs wie “You And I” und “Never Come Back”. Die Musik hat sich aber den melancholischen Panzer abgeschält und steht jetzt mit neuer Haut vor uns: Kraftstrotzend und auf der Lebens-Droge namens BPM.

Wer jemals meditiert hat, der kennt diesen Moment: Der Kopf wird zum Mixer und man bekommt nicht mehr den Finger vom Turbo-Knopf. Myriaden von Gedanken schießen durch Synapsen, die heißer brennen als der Schicksalsberg. So ist “Honey”, nur geiler.

Diesen Hirn-Tornado braucht man beim Meditieren so dringend wie einen Furz bei der Grabrede. Dagegen ist “Honey” aber ein willkommener Wirbelsturm an Einfällen. Ein Album, das frischen Wind in die miefigen Klassenräume von House und Indietronic bringt.

Dan Snaith alias Caribou hat sich vielleicht gefragt, wie viele Samples und Effekte er in einem Song einbauen kann. Und dann gesagt: Alle. Das Resultat sind Songs wie “Dear Life”, die sich anfühlen wie der lebensverliebte Fiebertraum eines Eichhörnchens auf Crack.

Man muss dem kanadischen Musiker nur einmal dabei zuhören, wie er über alte Hip-Hop-Platten und die Samples spricht, denen er wie ein Schatzsucher nachgespürt hat. Diese manische Liebe zu Samples spürt man in jedem Song, wie eine Ehrerbietung vor den Größen des Hip-Hop und Dance.

Und so kann man nur dankbar sein, dass hier einer nicht stillsitzen konnte. Hier hat sich einer vor vier Jahren zur Meditation hingesetzt. Und ist dann mit dem Gegenteil von Stille aufgestanden.

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