Es ist 2024 und London Grammar singen über die „Fakest Bitch“ und konstatieren „This is my place, my house, my rules“ (in „House“). Wie dieser sehr direkte, fast schon rebellische Tonfall zu dem doch eigentlich so eleganten, behutsamen Sound des Trios passt? Ziemlich gut, wie „The Greatest Love“ vorspielt.

Seit London Grammar mit „If You Wait“ die Indie-Welt in den Schwitzkasten genommen haben, ist vieles passiert – vor allem ist auch die Band selbst reifer, erwachsener, weiser geworden.

Das ist eine der Triebfedern hinter „The Greatest Love“, wie Sängerin Hannah Reid beschreibt: „Als ich 30 wurde, änderte sich meine Denkweise, und ich fühlte mich nicht mehr wie ein Opfer von irgendetwas – es fühlte sich alles in meiner Macht an. Ich dachte, Musik machen sollte Spaß machen, und das werden wir erreichen.“

Auf der einen Seite also die Selbsterkenntnis und Selbstermächtigung, auf der anderen die Freude am Kreieren selbst. Was Reid hier in der Theorie beschreibt, deckt sich mit dem Klang des vierten London-Grammar-Albums: Das Trio bleibt immer bei sich, wagt keine überraschenden Experimente und ist doch merklich befreit und entspannt.

So ist schon der Opener „House“ sehr bekräftigend und stark, ohne dabei die elektronischen Beats auszureizen oder plötzlich zu stumpf zu werden.

„You And I“ hingegen öffnet den Sound weiter und vertont den Brief von Reid an ihr jüngeres Ich mit Chören und Streichern.

„Santa Fe“ sticht mit seinen psychedelischen und sommerlichen Vibes aus dem Rest der Platte hervor und bleibt doch im Rahmen.

Am Ende ist es dann aber wohl doch der Titeltrack „The Greatest Love“, der mit seinem reduzierten Klavier und der Inszenierung von Reids einzigartigem Timbre im Kammermusik-Setting für ein großes Ausrufezeichen setzt. Und das in bekannter London Grammar-Attitüde äußerst bedacht.

Inhaltlich richtet die Band ihre Worte gegen das Patriarchat und die Misogynie im Musik-Business, besingt negative Erfahrungen Reids in Beziehungen, aber eben auch immer wieder das Älterwerden.

„The Greatest Love“ wird damit nicht zu einer sonderlich aufregenden Platte und einzelne Passagen wie das ungewohnt rudimentäre „Rescue“ hätten auch durchaus ausgespart werden können – doch London Grammar sind mit all dieser Reflexion offensichtlich an einem Punkt der inneren Stärke angekommen. Und davon darf es gerne noch mehr geben.

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