Bands aus Weißrussland ? Ja, diese Wissenslücke wollen wir heute schließen.  Das Trio Molchat Doma, dessen Name soviel heißt wie „Schweigen der Häuser“, kommt aus Minsk und macht seit 2017 mit ihrem New-Wave und Post-Punk auf sich aufmerksam.

Früh wurde die Band für ihren industriellen, finsteren und harten Sound gelobt und erweckte schon bald die Aufmerksamkeit des amerikanischen Labels Sacred Bones. Auf diesem Label erschien nun auch der vierte Longplayer „Belaya Polosa“, dem man deutlich anhört, dass sich mittlerweile auch der Lebensmittelpunkt der Band nach Los Angeles verlagert hat.

Entgegen der vorigen Alben wirkt schon der Opener „Ty Zhe Ne Znaesh Kto Ya“ – in Synth-Pop gewandet – deutlich zugänglicher. Ob’s an der kalifornischen Sonne liegt, der professionelleren Studioaustattung oder der Abkehr von der Ostblockarchitektur, welche die Albencover stets bestimmt?

Die Dystopie bleibt dennoch erhalten, denn der fast schon orchestral wirkende Gesang von Egor Shkutko erinnert nicht grundlos an Ian Curtis. Akkordarbeit leistet der Drumcomputer welcher „Kolesom“ antreibt, mäandernd sonor legt sich Shkutkos Organ über die Synthesizer und lässt an vergangene Darkwave-Hymnen denken.

Problematisch bleibt die sprachliche Hürde, des Russischen nicht mächtig, wird man von textlastigen Songs wie „Son“, trotz überlangem Gitarrenintro überfordert. Abhilfe schaffen „Belaya Polosa“ und „III“ deren Synth-Pop-Arrangement auch Shkutko milde stimmen.

Der Bass setzt Akzente im Soundkonstrukt der Weißrussen. So lässt er den „Beznadezhnyy Waltz“ über drei Minuten im schummrigen Pianoschwof verharren, bevor „Chernye Tsvety“ deutlich versöhnlichere Klänge anstimmt.

Die Gitarren hallend unterlegt und ein kehliger Gesang im Downtempo grundeln im neuzeitigen New Wave und verleihen dem Album Vielseitigkeit. „Ne Vdvoem“ etwa prägt sich als orchestral instrumentiertes, vom Drumcomputer getaktetes Werk ein.

„Ya Tak Ustal“ wird zum Kniefall vor Depeche Mode und ist nicht nur soundtechnisch erweckend, auch Shkutko zeigt sich ungewohnt lebhaft beim eingängigen Refrain, der durchaus einen Genrehöhepunkt setzt.

Aus den 80ern hin zum Sound der frühen 90er bewegt sich „Zimnyaya“ mit pluckerndem Drumcomputer und Gitarrenspiel, das jeden Tarantino-Soundtrack bereichern würde.

Molchat Doma zeigen sich modern ausgerichtet, trotz der musikalischen Zeitreise in den New Wave und Synth-Pop der 80er Jahre. Die Produktion ist feiner abgestimmt und der Drumcomputer aus keinem Titel mehr wegzudenken.

Die ehemaligen Post-Punk-Anleihen hat man größtenteils gestrichen, sich dafür auf zugänglichere Arrangements festgelegt, die mit „Belaya Polosa“ und „Ya Tak Ustal“ ihren Höhepunkt erreichen.

Die Sprachbarriere mag problematisch sein, doch Egor Shkutkos kehlig-tiefe Stimmlage lässt keinerlei Atmosphäre missen. Genrefreunde dürfen bedenkenlos reinhören und ihren Horizont mit Musik aus Weißrussland erweitern.

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Album

Chrystabell And David Lynch – Cellophane Memories

Album

Zola Jesus – ARKHON

Album

Emma Ruth Rundle And Thou – May Our Chambers Be Full

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke