Es beginnt mit einem Set aus Blechbläsern, einer tremolierenden Marschtrommel – triumphierender als auf ihrem neuen Album “Soft Tissue” sind die Tindersticks in ihrer über 30-jährigen Band-Geschichte noch nie in ein Album eingestiegen.
Doch kaum sind die Fanfaren verklungen, tritt die ganz typische tindereske Stille ein. Wurden wir auf dem Vorgänger “Distractions” (2021) noch mit einem monumentalen 11-Minuten-Opener auf einen fieberhaften Trip geschickt, scheinen wir auf “Soft Tissue” gleich mitten im Geschehen zu sein.
Dem gemächlich gestreichelten Rhodes Piano gesellt sich ein tapsendes Vibraphon hinzu, ein lässig gespielter Bass und ein behutsam angeschlagener Drum. Und erst wenn wir der Sogwirkung der Musik nicht mehr entweichen können, meldet sich Stuart A. Staples zu Wort.
Während sich der kammerpopartige Sound auf Samtpfoten voran bewegt, konstatiert Frontmann Staples, dass alles um ihn herum in Trümmern liegt. “Maybe it’s a new world” – oder sind wir es, die allmählich zu Grunde gehen?
Was im “Soft Tissue”-Opener “New World” schon anklingt, bleibt auch in den folgenden Stücken ein Grundmotiv. Es geht um die Differenz zwischen dem Ich und der Welt, um Fremdheit und Einsamkeit. Wir werden nach und nach auf uns selbst zurückgeworfen.
Während es im hypnotisch tänzelnden “Nancy” noch um das Verhältnis zu einem anderen – sich aber jeder Antwort verweigernden – Menschen geht, ist das angesprochene Du in “The Secret Of Breathing” nur noch eine grammatikalische Hilfskonstruktion.
“Tell me the secret of breathing / does it depend on believing? / believing in the air”, heißt es hier auf einem langsam vor sich hindämmernden Beat. Ist das gespielter Solipsismus oder musikgewordene Depression?
Das Schöne bei den Tindersticks: es bleibt alles in der Schwebe, inhaltlich wie musikalisch. Dem Auditorium bleibt nur, das Rätselhafte zu akzeptieren. Was der Faszination gegenüber dem auf “Soft Tissue” geschaffenen musikalischen Erlebnis aber keinerlei Abbruch tut.
Im Gegenteil. Die Präzision der Instrumentierung, das Verschmelzen von Staples‘ Stimme mit den Backing-Vocals von Gina Foster – hier hält die britische Band seit Jahrzehnten ein meisterhaftes Niveau.
Nach dem etwas verspielteren, experimentierfreudigeren “Distractions” haben die Tindersticks mit “Soft Tissue” ein dichtes, feines, auf acht Songs reduziertes Album produziert, das uns nicht so schnell aus seinen Fängen lässt.