Der schmale Grat zwischen eingängig und überreizt, zwischen authentisch und inszeniert, zwischen packend und überproduziert – Cloudy June bewegt sich auf ihrem Debütalbum „Crazy Woman“ auf diesem Pfad, doch leider oft in Richtung des Überdrusses.
Die Berliner Sängerin, die einst in einer Metal-Band ihre musikalischen Wurzeln hatte, nutzt auf „Crazy Woman“ vor allem Mainstream- und Social-Media-Effekte, die auf den ersten Blick catchy und zugänglich wirken, jedoch schnell an Spannung verlieren.
Die Grundstruktur der meisten Songs bleibt ähnlich: eingängiger Synth-Pop, untermalt von einer allzu vertrauten Bassline und in repetitiver Harmonie mit ihren altbewährten Dark-Pop-Einflüssen.
Cloudy Junes Sound scheint gezielt für den schnellen Konsum auf TikTok und Spotify ausgelegt zu sein, wo ein einfangender Beat und eine provokante Hook oft reichen, um hohe Klickzahlen zu generieren. Doch gerade diese Berechnung wird dem Album zum Verhängnis: es wirkt weniger wie ein persönliches Kunstwerk, sondern mehr wie ein Produkt, das mit Kalkül und algorithmischen Zielvorgaben konzipiert wurde.
Inhaltlich bietet Cloudy June nicht mehr als eine Endlosschleife aus Gen-Z-Trademarks und schablonenhaften Themen. Die Songtexte behandeln mit Vorliebe tabuisierte Themen wie Masturbation, Drogen oder Vergeltung, verpackt in plakative Bilder, die allerdings mehr um den Effekt als um den Ausdruck willen eingesetzt werden.
Kontroversen werden hier nicht erschaffen, sie werden regelrecht vorgekaut und wirken damit oft hohl und aufgesetzt. Der allgegenwärtige Rache- und Empowerment-Gedanke, der ohne Frage seine Daseinsberechtigung hat, verliert in der ständigen Wiederholung und Oberflächlichkeit jedoch an Bedeutung und geht schnell in die Belanglosigkeit über.
Spätestens nach dem dritten Song stellt sich ein beklemmendes Gefühl der Redundanz ein. Viele Tracks klingen austauschbar, als stünde das Album tatsächlich auf Repeat – ohne jegliche Differenzierung oder überraschende Elemente.
Einzig ein paar Balladen schaffen es mit einer minimal ruhigeren Stimmung, für einen kurzen Moment Abwechslung in den Strom gleichförmiger Tracks zu bringen. Doch auch hier bedient Cloudy June Klischees, die die Oberflächlichkeit des gesamten Albums nur weiter untermauern.
„Crazy Woman“ ist der Versuch, die Mechanismen des digitalen Zeitalters zu nutzen, um Relevanz und Reichweite zu gewinnen. Doch was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Authentizität.
Ein Album, das wohl viel Aufmerksamkeit auf Social Media erregen wird, für den wirklichen Musikliebhaber jedoch kaum Wiederhörwert bietet. Ein weiteres Werk der Streaming-Ära, das die Hörer*innen mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt – und leider ohne bleibenden Eindruck.