Eisbaden scheint ja voll im Trend zu sein. Das erfordert jede Menge Durchhaltevermögen. So wie bei The Innocence Mission aus Lancaster in Pennsylvania, die ihr aktuelles Album „Midwinter Swimmers“ betiteln.
Seit nunmehr 35 Jahren musiziert das Quartett gemeinsam und klingt dabei noch immer wie noch ältere Bands. Da kommen einen z.B. The Mamas & The Papas in den Sinn oder auch die 10.000 Maniacs um Sängerin Natalie Merchant. Dem US-amerikanischen Indie- und Alternativerock zugewandt, spielen The Innocence Mission eher die ruhige Geige, im wahrsten Sinne des Wortes, was sie mitunter auch ins Folkgenre führt.
Der mittlerweile 13. Longplayer der Band wartet mit 11 Titeln auf, die im Geiste einer Joni Mitchell Emotionen mit Worten verarbeiten. Sängerin Karen Peris scheut sich dabei nicht vor der eigenen Traurigkeit und kehrt doch jeden Titel mit ihrer hellen, glockenklaren Stimme ins Licht.
Diese bittersüßen Harmonien sind dabei sehr feinsinnig in ihrer Beobachtungsgabe und Selbstreflexion. So eröffnet das Album mit der Singleauskopplung „This Thread Is A Green Street“ und sieht in der Natur Wege, zueinander zu finden.
Begleitet von einem außergewöhnlichen Video, das ebenfalls von Karen Peris produziert wurde, verstrickt sich der Titel Faden für Faden, Instrument um Instrument zu einem feinen Gespinst. Die Stimme schmiegt sich wortgewandt an die Akustikgitarre, lehnt sich an die Hammondorgel und grüßt zaghaft den Bass. Dieses stimmige Prinzip verlassen The Innocence Mission auch auf den folgenden zehn Titeln nicht.
Der zittrige Titeltrack „Midwinter Swimmers“ erklimmt tonale Klangleitern bis hin zum himmlischen Hosiannagesang und ernennt das Tamburin zum bestimmenden Instrument. Peris Gesang wirkt zaghaft, fast elfengleich scheu und doch voller Freude ob des Wiedersehens mit Ihrer Liebschaft.
Bestimmter weiß sich „The Camera Divides The Coast Of Maine“ in Szene zu setzen. Der Kontrast zwischen tiefklingendem Piano und dem weichen, hohen Gesang inthronisiert den Titel zu einem dreieinhalbminütigen Akustikschwof.
Das spannungsarme „John Williams“ lässt das Piano verschmitzt klimpern und bei „We Would Meet In Center City“ seine Daseinsberechtigung melodisch einfordern. Wieder wankt und wandelt Peris tonal verlegen, aber doch wortreich sehnsüchtig wartend auf das von Geigen verhangene Treffen.
Wer sich bis jetzt noch keine Kerze angezündet hat, darf das bei „Your Saturday Picture“ nachholen. Harmonie heischend binden sich die Akustikinstrumente aneinander und fädeln die Perlen von Peris glänzend klarem Gesang auf.
Das ist derart gut gelaunt, dass auch „Cloud To Cloud“ dem eitlen Sonnenschein keinen Abbruch zu tun vermag. Hippiesk flaniert man „Carrying guitars, holding on to flowers“ durch den Percussion-Lustgarten und verliert sich in der gar lieblichen Darbietung.
Fast schon schrobig lässt „A Hundred Flowers“ die Saiten aus dem Äther pullern, regnet schwer tropfend auf die Hörer*innen hernieder und zergeht an der sicherlich regenschirmbewehrten Karen Peris, die hörbar barfuß im Regen tanzt – in Zeitlupe, so dass der Übergang zum sonnigen Kalifornien, besungen in „Orange Of The Westering Sun“, nicht zu schnell vonstatten geht.
Die lockigen Haare wehen im warmen Pazifikwind, irgendwo sitzt irgendwer mit einer Akustikklampfe und starrt in die untergehende Sonne, das Leben ist schön.
„Sisters And Brothers“ tänzelt leichtfüßig beschwingt und lässt „A Different Day“ das Album beschließen.
Zwitschernd Geschichten erzählend, zeigen The Innocence Mission in chansonartiger Inszenierung, dass sie keineswegs so unschuldig sind, wie es der Bandname suggerieren möchte. Mit Peris sinnierenden Worten und verwunderten Gefühlen muss man klarkommen.
„Midwinter Swimmers“ mag zwar nicht so viel Disziplin erfordern wie das Eisbaden, erfordert dennoch Durchhaltevermögen. Die musikalische Inszenierung ist zeitlos, kann sich dennoch einer gewissen akustischen Monotonie nicht erwehren.
Die hohe Stimmlage von Karen Peris trägt weiterhin dazu bei, dass The Innocence Missions neues Album für Genrefreunde zu empfehlen ist, der unbedarfte Hörer hingegen sollte sich zumindest mit einer Tasse warmen Kakao und jeder Menge guter Gedanken an den Longplayer wagen.