Aus dem ‚Wir‘ ins ‚Ich‘: Ezra Furman ist mit ihrem teils imposanten, teils zärtlichen, immer aber interessanten Sound eine echte Empowerment-Künstlerin geworden. Der Community-Aspekt rückt auf dem neuen Album „Goodbye Small Head“ in den Hintergrund. Dafür geht es jetzt der Introspektive an den Kragen.

Furmans Hymnen waren bisher nicht von einer Stadionrock-Plattitüde und einer ‚Live. Laugh. Love.‘-Mentalität getragen, sondern bieten immer eher Material für einen widerspenstigen, queeren Arthouse-Film.

Furman selbst bezeichnet das neue Album als eine Sound gewordene Darstellung davon, wie eine Person vollkommen die Kontrolle verliert. Egal ob durch Krankheit, BDSM, Drogen oder durch die Gesellschaft als solche.

Anders als zuvor bleibt der Fokus damit beim lyrischen Ich – auch, wenn die Erfahrungen natürlich einige Räume für persönliche Verbundenheit aufmachen.

Im Sound ist „Goodbye Small Head“ dabei näher an „Transangelic Exodus“ aus 2018 als am Vorgänger „All Of Us Flames“ – der knirschende Indie-Rock wird mit einer LKW-Ladung Streichern unterlegt, die Dramaturgie der Platte ist bahnbrechend.

Dieses Mal liegt der Fokus aber mehr auf dem einzelnen Song als Full Circle Moment als auf dem Album als Gesamtkomposition.

Schön klingt das dennoch, vor allem weil Furman dabei auch Neues wagt. Schon im Opener „Grand Mal“ wird das deutlich, der ganz reduziert mit einem Sample arbeitet. Das ist sehr ungewohnt im Furman-Kosmos und weckt in Kombi mit den rauen Gitarren und den schnellen Streichern Assoziationen an die Zeiten, als dieses Album noch als eingeschweißte CD in den guten Ecken der Musikläden gewartet hätte – genauer: an die 90s.

Dort hätte sich der emo-getränkte Indie-Rock von Ezra bestens wohl gefühlt, aber auch heute schafft es der Sound, mit einer gekühlten Frische zu betören.

Egal, ob im Album-Hit „Jump Out“, der sich mit epischen Arrangements in einen explosiven Refrain wirft, dem düsteren „You Mustn’t Show Weakness“ über das Funktionieren in unserer Leistungsgesellschaft oder im langsam gen Boden segelnden „Slow Burn“ – so auf den Punkt, so kompakt, so unmissverständlich wie hier klang Ezra Furman schon lange nicht.

Als Künstlerin ist Furman eine riesige Bereicherung für die Indie-Szene. Und egal,wie sehr „Goodbye Small Head“ dem Kontrollverlust zugeschrieben ist: Es klingt  auch im tosendsten Sturm noch nach einem Empowerment, das die eigene Schwäche nicht verbirgt. Großartig.

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