Ein Livekonzert der beiden Solitäre Teho Teardo & Blixa Bargeld wirft beeindruckende Schlaglichter auf die Philosophie und Kunstgeschichte, die sie mit ihrer einzigartigen Kollaboration seit nun mehr drei gemeinsamen Alben erzählen.
Einerseits weil Einstürzende-Neubauten-Frontmann Bargeld gerne im Vorfeld zu seinen Texten Stellung bezieht. Sei es bei „Dear Carlo“, wo er erläutert, wie er sich in Korrespondenz mit einem italienischen Astrophysiker über die Beschaffenheit des Universums austauscht. Oder wie er „Bisogna Morire“ als den großen Gleichmacher anpreist, weil die gleichnamige italienische Zeile verdeutlicht, dass jeder sterben muss.
Andererseits wirft das Konzert Schlaglichter im wortwörtlichen Sinne. „Nothing will be changed about the lights“, bescheinigt Bargeld im Song „What If“ vom ersten gemeinsamen Album „Still Smiling“ aus 2013. Und so halten sie es auch bei der Beleuchtung, die mit ihren weißen Strahlern den Bühnenraum starr und konstant ausleuchtet. Es ist das Gegenteil einer Lightshow, die den Eindruck einer Theater-Performance verstärkt, auch wenn sie ohne Schauspiel im klassischen Sinne auskommt.
Hauptfigur ist das fulminante Textwerk Bargelds, in den Nebenrollen eine überragende siebenköpfige Besetzung. Sein kongenialer Partner, der italienische Komponist Teho Teardo spielt Gitarre und Percussions, darunter an Stäben aufgereihte große Glocken. Wenn er das Streichquartett im Rücken der beiden Protagonisten dirigiert, lässt er keinen Zweifel daran, dass er der Architekt der Klänge ist.
Unterstützt werden sie von Solo-Cellistin Laura Bisceglia und Gabriele Coen an der Bassklarinette. „No, this is not a saxophone“, stellt Blixa beim Vorstellen seiner Begleitmusiker klar, da ist ihm zuvor schon ein Fauxpas mit dem Streichquartett passiert:
Als er die vier Musikerinnen vorstellen möchte, zieht er einen Zettel aus seinem Jackett und muss feststellen, dass dort die Namen eines vormaligen Quartetts stehen. „Da habe ich wohl den falschen Zettel weggeworfen“. Es ist der Lacher des Abends. Das Quartett nimmt es gelassen, ist nicht nachtragend und strahlt erneut in vollem Glanze bei „Come Up And See Me“.
Und irgendwie ist es auch bezeichnend, dass im Schaffen der beiden, für jede Situation eine passende Textzeile wartet. „I‘m smiling from the bottom of my fair trade soul“ sprechsingt Bargeld die Situation zurecht und dem Publikum aus der Seele, als wäre alles eine ausgemachte Sache.
Manch einer im bestuhlten Frankfurter Zoom kann seine Begeisterung nur schwer in Zaum halten. „Geil, geil, geil,“ ruft einer der Typen in den hinteren Reihen im Takt der Musik.
So ist das eben, wenn auf der Bühne exzellente Avantgarde- und Kammer-Pop-Kompositionen auf Wortakrobatik treffen, bei der einzelne Textzeilen vom Status des Unikats live nochmals verstärkt werden, bis sie wie Rohdiamanten glänzen:
„Mein liebster Umgang sind adlige Schmetterlinge“. Der Schöpfer dieser Sätze trägt glitzerndes Make-up wie bei den Neubauten-Konzerten, steht barfuß auf der Bühne und spielt bei „Nirgendheim“ Mundharmonika.
Für den ersten Block der Zugaben soll sich das Publikum eine geschwungene Treppe vorstellen, für die keine Zeit mehr für den Aufbau war. Blixa Bargeld käme darauf herunter geschritten mit einem Dirty Martini in der Hand und singt dann: „Menschenentsafter“: „Ich entsafte, entsafte bis nur noch Dummheit übrig bleibt“. Unnachahmlich.
Bei diesem Konzert scheint die Hochkultur wie selbstverständlich in die Räume einzudringen, die eigentlich von der Popkultur besetzt sind. Diese Durchmengung lässt sich dann am Ausgang auf Vinyl abgreifen.
Und das ist das Schöne daran – wie einfach es die beiden einem machen, teilzuhaben an ihrem kulturhistorischen Universum.