Es gibt Popsongs, die schreiben sich in wenigen Minuten, für andere braucht es bis zu ihrer Fertigstellung Jahre. Auf „Dear Life“, dem neuen Longplayer von David Gray, beweist dieser, dass es manchmal sogar Jahrzehnte dauern kann.

So ist die markante, dynamisch angeschlagene Klavierakkordfolge auf „Plus & Minus“, der vorab veröffentlichten Hitsingle, bereits 2004 entstanden. In den Folgejahren trieb sie den Briten fast in den Wahnsinn. 20 Jahre später gelang es ihm endlich, die Akkordfolge aufzulösen. Das Ergebnis: ein energetischer, in sich vielfach verschlungener Track, mit einer Reihe variantenreicher Wiederholungen, die Grays Zwiegesang mit Newcomerin Talia Rae zusätzliche Spannung verleihen.

Dass es sich auch im schnelllebigen Musikbusiness lohnt, Geduld zu bewahren, wissen vielleicht nur wenige so gut wie der 1968 in Manchester geborene David Gray, dessen drei erste Alben aus den 90ern lediglich bei Kritikern und Musikkolleg*innen auf Zuspruch trafen.

Mit letztem Geld und neuem Equipment schaffte Gray schließlich kurz vor der Jahrtausendwende den Durchbruch – „White Ladder“ blieb sagenhafte 175 Wochen in den UK-Charts und wurde zu einem der meistverkauften Alben der Nullerjahre.

Der damals von David Gray mitgeprägte Folktronica-Stil entstand in Grays Fall aus ökonomischen Zwängen, da er sich eine Band zu diesen Zeiten nicht leisten konnte und das gesamte Album ganz allein in seinen eigenen vier Wänden aufnahm.

Auf „Dear Life“, seinem 13. Studioalbum, finden sich nun deutliche Verweise auf jene Zeit. So sind die Reminiszenen besonders auf der Drumline nicht zu überhören – etwa im fröhlich oszillierenden „Singing For The Pharaoh“ oder dem bittersüßen „Eyes Made Rain“.

Doch „Dear Life“ ist keineswegs bloß eine Kopie des damaligen Erfolgsalbums. Es besticht durch Frische und Experimentierfreude, ergänzt um komplexe Arrangements und teils orchestrale Texturen wie im fast sieben Minuten langen „Leave Taking“.

Darüber hinaus gelingt David Gray mit seiner sich immer ein wenig reibenden Stimme das, was ihm schon vor über 25 Jahren mit seinem Überhit „Babylon“ gelang:

Zeitlose, einfach schöne Musik, die viel leichter klingt, als sie eigentlich ist.

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