22 Minuten lang kreist einer der Tracks des letzten Animal-Collective-Albums „Isn’t It Now“ und belegt: Wenn Noah Lennox alias Panda Bear und seine drei Mitstreiter alle ihre Ideen in einen Topf packen, dauert es eine Weile, bis sie fertig werden. So wie Noah ist sein Kumpel Josh Dibb, bekannt als Deakin, ein Multiinstrumentalist und Synth-Experte. Als Produzent springt er dem nach Portugal gezogenen Panda Bear auf dem neuen Longplayer „Sinister Grift“ zur Seite.
Das letzte Panda-Album „Reset In Dub“ von 2023 kombinierte die Talente des Drone-Avantgardisten und Musik-Mathematikers Sonic Boom (Peter Kemper) und des UK-Dub-Pioniers Adrian Sherwood. Auch Surf-Anklänge waren enthalten. Davon blieben offenkundig Ideen für „Sinister Grift“ übrig. Einige Songs entstanden sowieso zeitgleich, hatten auf einem Festival 2021 schon Premiere.
Bereits das eröffnende Stück „Praise“ lässt sich Surf-Pop und Psychedelic zuordnen. „Anywhere But Here“ samt Noahs 19-jähriger Tochter Nadja, die zweisprachig aufwuchs und Spoken Word auf Portugiesisch vorträgt, erinnert an die Folk-Harmonien des Herren-Chors Crosby, Stills & Nash.
Ein Ausschnitt von Nadjas Worten lautet übersetzt: „In dauernder Beschäftigung zu leben, erweist sich als etwas makaber.“ – Da kann man an existenzialistisch gefärbte Beat-Poesie der späten 1950er und frühen 1960er denken.
Sechziger-Jahre-Nostalgie durchzieht das Album konsequent, aber mit den technischen Mitteln elektronischer Noise-Effekte aus unserer Zeit. Die Vokal-Arrangements in „Ferry Lady“ folgen Gestaltungs-Mustern der Beach Boys.
Manche Gefühle und Stimmungen erinnern in ihrer Mischung aus Leichtigkeit und Schwermut, Schlaftrunkenheit und romantischem Sonnenuntergang am Strand, aus Drogen-Verzerrtheit und aus Klarheit des Wach-Träumens an die Allah-Las.
Diesen Eindruck verstärken die nostalgischen Sixties-Bezüge, wie sie äußerst deutlich auch in „Ends Meet“ zum Ausdruck kommen. „Til the heart don’t beat / I’ll meet the ends“, lautet der Chorus, und der Verdacht liegt nahe, dass der Reim aus „meet“ und „beat“ zu diesem Slogan führte.
Maria Reis und Riva Ravede verdicken hier in „Ends Meet“ sowie in „Praise“ den Klang via Background-Gesang. Insgesamt ist den Lyrics aller Tracks ein hohes Abstraktions-Niveau zu eigen, das zum ziellosen Ambient-Charakter mancher Songs passt.
„Left In The Cold“ ist auch musikalisch ein Statement des Minimalismus und zeigt Panda Bear bestrebt, mit möglichst wenig Geschehen Zeit verstreichen zu lassen. Dafür wirkt die Aufnahme immerhin recht kompakt.
Für „Defense“ tat sich Panda Bear mit der Retro- und Tristesse-Expertin Cindy Lee zusammen. Hier überwiegt noch die Lied-Struktur. Der skizzenhafte Text zerfasert nicht so frei von Logik wie in manch anderen Stücken.
Dennoch kommt man beim besten Willen nicht daran vorbei, dass sich etwa das Lap Steel angereicherte „Venom’s In“ inhaltsarm in die Länge zieht und dass der Freak-Folk „Elegy For Noah Lou“ ebenfalls viel Geduld abverlangt.
Lamentieren und auf der Stelle treten sind das Lebensgefühl dieses Werks. Die Texte ergeben mutmaßlich erst nach einem ausgedehnten Literaturstudium und nach dem Drogenkonsum von LSD und Pilzen Sinn.
Die Lo-Fi-Nummer „50 mg“ spricht diese Erfordernis bereits durch die Blume an. Gast-Sängerin Maria Reis, eine interessante Musikerin aus Lissabon, wo die Aufnahmen entstanden, lobt hingegen das Album: „Da gibt es jede Idee, jedes Wort und jeden Sound, um einem Zweck zu dienen (…)“.
Bedauerlicherweise ist ihr da entschieden zu widersprechen. Das Werk ist viel mehr eine Kumulation lose geknüpfter Enden, ein unsortiertes Knäuel, arm an Stringenz, frei von Spannung.
Immerhin lässt sich „Sinister Grift“ Wärme attestieren. Für diesen Effekt sorgen etwa die Synth-Trompeten in „Ferry Lady“ und das insgesamt Harmoniebedürftige des Longplayers.
Trotzdem: Auch wenn alle Animal-Collective-Mitglieder als Säulenheilige des Indie-Pop gelten (und angeblich alle hier beteiligt waren, gleichwohl die genaue Rollenverteilung in den Credits nebulös bleibt), so sollte man sich von „Sinister Grift“ nicht viel versprechen.
Die Erwartungen mögen hoch gewesen sein, wie man am bereits vorab ausverkauften Merch-Shirt mit dem Album-Artwork ablesen kann. „Sinister Grift“ ist jedoch lediglich eine mittelmäßige Geräuschkulisse, auf der ein großer Name prangt.
Panda Bear bleibt seinem Ruf als Frickler treu. Als guter Songschreiber erweist er sich hier leider nicht.