Das traurige Mädchen mit der Gitarre ist ein so gängiges Motiv im Folk-Rock, dass sich damit kaum originell punkten lässt. Jade Bird, 27 Jahre, aus London, verkörpert diese Rolle aber so durchdringend, als habe sie sie erfunden.

Auf ihrem dritten Album „Who Wants To Talk About Love?“ verarbeitet sie – autobiographisch – Trennungsschmerz auf der Suche nach „Somebody New“ und singt sich die Seele aus dem Leib, während sie einen schweren Sturm ihres Gemüts erlebt, einen „Avalanche“.

So stellt Jade Bird voller Inbrunst den Ex zur Rede, ob er sie wirklich geliebt habe und ob er ihre jetzige seelische Pein wirklich gewollt habe. Letztlich verbleibt sie aber mit den besten Wünschen für die Zukunft, „Wish You Well“, und ringt der Situation sogar Positives ab. Dies zeigt sich in „Glad You Did“ an der Bereitschaft, dem Ex und auch ihrem Vater deren jeweilige Fehler zu vergeben.

Birds Stimme glüht zum Bersten, oft übersteuert sie. Es geht immerhin um einiges. So zerbrach ihre Beziehung mit ihrem Vater, und mit ihrem Partner war sie bereits verlobt. Außerdem litt sie mit einer Figur in einem Sachbuch mit, welches sie parallel während des Songschreibens las. Jenes Buch „The Trauma Clear: One Woman’s Extraordinary Life In The Business Of Death“ handelt von demütigenden Erlebnissen einer australischen Reinigungskraft, die diese als Trans-Person in ihrer Arbeit erlebt. Es habe Jades Aufgewühltheit verstärkt, meint die Singer/Songwriterin selbst.

Wie die Künstlerin selbst bekundet, möchte sie damit mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Inspiriert habe sie zu der Platte, dass auch ihre Eltern und beide Großeltern-Paare sich getrennt hätten.

Stilistisch zeigt sie zwar Ähnlichkeit mit Sheryl Crow, insbesondere wenn sie im Song „Einstein“ ein bisschen Country rezitiert. Die Gesangstechnik erinnert in den lauten Momenten, wenn Jade verrückt und draufgängerisch kräht, jedoch mehr an Yoko Ono und deren Art zu intonieren.

Tatsächlichen Einfluss auf das Album habe aber Laura Marling gehabt. Jade Bird hörte gerne deren „Song For Our Daughter“ und studierte im Internet Lauras Art zu schreiben.

Allzu oft findet sich bei Jade Bird nun jedoch ein Kontrast, der sich mit der Spielzeit leicht abnutzt, nämlich die Spannung zwischen rustikal gespielter Folk-Gitarre und dem trotzigen Aufstampfen einer Avril Lavigne. Von der Neuerfindung des Rades ist Jade Bird dabei meilenweit entfernt, gleichwohl sie spürbar viel Herzblut in ihr Werk steckte.

Immerhin, mit ein paar wirklichen Preziosen in Bezug auf Melodien, Harmonien und ein paar gekonnte Chamber-Pop-Arrangements, vor allem den starken Stücken „How To Be Happy“, „Wish You Well“ und „Dreams“ überzeugt die in Los Angeles arbeitende Engländerin auf ganzer Linie.

„Dreams“ handele laut Jade davon, „zu kaputt zu sein, um mit der Person zusammen zu sein, die man liebt“ und von „generationsbedingten Verhaltensmustern“ im Umgang mit den eigenen Gefühlen.

Nach dem Motto ‚klein, aber fein‘ sind die meisten Tracks um die zweieinhalb Minuten kurz, haben aber bereits alles, was es braucht. Die Balance aus zarter Anmut und wildem Engagement gelingt Jade in ihrer Vortragsweise außerordentlich gut.

In Abgrenzung von stoisch ruhigen Kolleginnen wie Sophie Zelmani geht Bird beim Singen sehr aus sich heraus und bringt alleine durch ihre expressive Art, aber auch durch kraftvoll instrumentierte Aufnahmen, viel Lebhaftigkeit zum Vorschein.

„Who Wants To Talk About Love?“ ist ein stimmiger Longplayer. Er ist zwar nur 30 Minuten kurz, kommt in seiner Unverblümtheit aber stets rasch auf den Punkt und ist somit nicht nur kurz, sondern auch essenziell und unterhaltsam.

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