Vor 15 Jahren gründeten sich die Night Moves in Minneapolis, weit weg von Kaliforniens Westküste. Doch bei ihrem neuen Album „Double Life“ nicht automatisch an San Francisco oder gar ans Genre Yacht-Rock zu denken, fällt relativ schwer.

Das Doppelleben im Namen der Platte bezieht sich wohl eher auf die Dissonanz zwischen Brot-Job und kreativer Arbeit als auf geographische Widersprüche. Während der sechs Jahre, in denen Night Moves kaum von sich hören ließen, gab es nicht nur Lockdowns, sondern auch John Pelants Hinwendung zu einem geordneten bürgerlichen Leben fernab von Tourneen.

Die Verlobung und Heirat des Frontmanns und Haupt-Songautors der Gruppe gehörten zu diesem Normalo-Alltag, aber auch seine Tätigkeit als Spirituosen-Lieferant. Sie gestattete John einerseits Einblicke in viele Haushalte, andererseits sammelte er bei weitem nicht nur prickelnde und gute Impressionen.

In einem anfallsartigen Schreibrausch soll er die Songs für „Double Life“ entworfen und seine Erfahrungen verarbeitet haben, erinnert sich der Bandleader. Sie beziehen phasenweise Country-Soul, Country-Folk und Pop-Country-Crossover ein, wie es auch frühere Lieder seit dem Debütalbum 2012 schon taten.

Handwerklich sind solche Nostalgie-Ausflüge in antiquierte Musikfarben der frühen 1970er Jahre hier durchaus gelungen. Trotzdem gestalten sie sich – um einen Liedtitel des Albums zu zitieren – nur „Almost Perfect“.

Zwei Hindernisse auf dem Weg zur Perfektion liegen im Gesang, in der fehlenden Dramaturgie, die jeden Track beliebig an jeden anderen anzuordnen vermag, ohne einen Spannungsbogen innerhalb des Materials zu ermöglichen.

Was die stimmliche Leistung von John Pelant angeht, punktet er überall dort, wo er sich ins Falsett aufschwingt. Zum besten Stück gerät dabei eindeutig die Kombination aus lauter retrospektiven Bestandteilen, „State Sponsored Psychosis“.

Zur weichen, pulsierenden Keyboard-Grundierung gesellen sich Flower-Power-Stimmung, Tempowechsel mit Retardierung, Synth-Cello und eine enervierende Wah-Wah-Gitarre. In diesem formvollendeten Rahmen macht das Falsetto eine besonders tolle und stimmige Figur.

Doch obwohl Johns Stimmfarbe etwa in „White Liquor“ lediglich nölig und ins Blaue hinein geträllert klingt, entfaltet der Multi-Instrumentalist kaum Charisma und hört sich über längere Strecken zu monoton und unwesentlich an, verhallt sein Gesang allzu nüchtern im teils psychedelischen Umfeld schwummriger Gitarren-Riffs.

Dieses Manko schmälert aufgeweckte Rhythmen, wie sie in „The Abduction“ oder „This Time Tomorrow“ ertönen, leider in ihrer Wirkung. Night Moves sollten es daher am besten mit dem neuen Material noch einmal in Form eines Live-Albums, mit mehr Raum für die vielen einzelnen Instrumente und schon jetzt enthaltenen Klangfarben probieren und an Arrangements für Background-Harmoniegesang arbeiten oder Gäste für einzelne Stücke anheuern, um mehr Hinhör-Effekte zu erzielen.

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