Karly Hartzman und MJ Lenderman sind kein Liebespaar mehr. Das klingt jetzt weniger dramatisch, doch sind die beiden die eine Hälfte von Wednesday, einem Indie-Rock-Quartett aus North Carolina. Das Ende der Beziehung erinnert ein wenig an Fleetwood Mac, als Stevie Nicks und Lindsey Buckingham ihre Beziehung beendeten und mit „Rumours“ eines der prägendsten Rockalben vorlegten.
Nun mag man sich drüber streiten, ob Wednesday schon einen ähnlich großen Einfluss haben wie Fleetwood Mac, aber das vorgelegte sechste Studioalbum „Bleed“ gehört definitiv zu den Highlights, die man 2025 zu hören bekommt.
Das Dutzend Tracks, aus Hartzmans Feder, entstand zwar noch vor dem endgültigen Beziehungsaus, eindeutige Titel wie „The Way Love Goes“ oder „Bitter Everyday“ zeugen jedoch vom bereits vorhandenen Bruch. Hartzman sieht „Bleeds“ dennoch eher positiv, auch wenn es „a bit scary, but with a heart of gold underneath“ ist.
Nach dem erfolgreichen 2023er Release „Rat Saw God„, darf sich die Band auch über äußerst positive Kritiken zum Singlerelease „Elderberry Wine“ freuen, das vom Time Magazin zu einem der besten Songs von 2025 gekürt wurde.
Der Song wird der Kritik mit seinem folkig mäandernden Steelgitarrenschwof und Karly Hartzmans stimmlicher Brillianz durchaus gerecht, doch liegt die Stärke des Albums nicht in der Harmonie:
Verzerrende Töne, Rückkopplungen und auch ein wenig Freude an der Kakophonie durchziehen Titel wie „Reality TV Argument Bleeds“, das mit seinem 90er Basslauf nicht nur an die Pixies denken lässt.
„Townies“ bringt Riffbretter, auf denen man die 90er Indierockwelle bis zum disharmonischen Ende weitersurft, zu Hartzmans ekstatischem Gesangseinsatz, der ein wenig an Brody Dalle von The Distillers erinnert.
„Wound Up Here (By Holding On)“ schmeichelt den geneigten Ohren mit feinsten Indieklängen, steigert sich mit dem Chorus in einen von Karly inszenierten Katzenjammer, der dank der begleitenden Leadgitarre zu einem Modest-Mouse-ähnlichen Titel wird, wie ihn Isaac Brock & Co. nicht besser inszenieren könnten.
Auch „Phish Pepsi“ wildert mit folkiger Unruhe und schrägem Storytelling zwischen Friedhofsbesuchen und den bleibenden Eindrücken, die der Film „Human Centipede“ hinterlässt – auf Pfaden, die einst Primus beritten haben.
Ja, „Bleeds“ ist die bunte Wundertüte und zeigt Wednesday auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres Schaffens. Die kontrollierten Riffs von „Candy Breath“, die an Hartzmans nölenden Gesang zerbersten oder die akustischen Saitenklänge von „The Way Love Goes“, an denen Gefühle zäh wie Honig kleben, bis sie bei „Pick Up That Knife“ an einer Kakophonie von verstärkten E-Gitarren abperlen.
Ja, Krach können Wednesday auch. Berüchtigt für exzessive Liveshows, darf sich das Publikum bereits jetzt auf das wütende „Wasp“ freuen, das temporeich alles an Saiteninstrumenten aufbietet, um den Schlagzeugtornado in Schach zu halten, der Hartzmanns brachialen Einsatz befeuert.
Zurück zum Traum aller Southern-Indierock-Liebhaber. Aus „Bitter Everyday“ tropft der Whiskey, die Gitarrensaiten kratzen an der Hintertür zu lange vergrabenen und unter den massiven Klangteppich aus Verstärkerrückkopplungen gekehrten Emotionen.
Einem Zustand, dem sich „Carolina Murder Suicide“ mit Klavierbegleitung und akustisch temporeduziert annähert, bevor „Gary_s II“ die Welt aus Hartzmanns Augen mit rhythmischen Americana-Creekrock umarmt.
„Bleeds“ mag zwar nicht mit „Rumours“ von Fleetwood Mac gleichzusetzen sein, aber Karly Hartzman ist uns auch noch die Songs schuldig, die nach dem Beziehungsende entstanden sind.
Es kann uns also nur Großes erwarten, denn „Bleeds“ gehört mit zum intensivsten Indieklangerlebnis des Jahres.