Daniel Avery wirft auf „Tremor“ ein schlagendes Herz in die Mitte eines Wirbelsturms aus Stahl und Feuer und Eis. Und schaut dabei zu, wie es glutspuckend und blutbefleckt in immer höhere Sphären geschleudert wird. Am Ende bleibt kein Stein auf dem anderen.

Das Album beginnt sphärisch. Wir hören düsteren Industrial-Ambient, der von seinen Gesangsparts in ein sardonisch-finsteres Zwielicht getaucht wird. In diesem Kern des musischen Herzens pochen Liebe, Drang und Verzweiflung.

Es ist ein leise wummernder Sumpf, aber wenigstens ist es fester Untergrund. Hier fühlen wir uns heimisch, können menschliche Gefühle empfinden und uns mit dem kleinen Fünkchen Frieden identifizieren, der in ihnen schlummert. Doch dann zuckt die Herzkammer.

Ein Sturm zieht auf. Ein Sturm aus Bässen, die wir tief im Magen spüren wie die klagenden Stimmen von Giganten auf ihrer Reise in der Nacht. Ein Sturm aus wütenden Gitarren, die mit jedem Anschlag unsere Synapsen in ein Stahlbad aus Funkenfeuer reißen.

„Tremor“ ist eine Fingerübung in träger Wildheit. Dort, wo das Kreischen der Gitarrenriffs unseren Puls in Wallung bringt, saugt die Traurigkeit der Basslinien uns das Mark aus den müden Knochen. Und wo die ätherisch hallenden Klänge des Synths uns in ein Meer aus Tränen ziehen, singen uns die Sirenenstimmen der Sänger das Lied besserer Tage.

Avery trifft mit seinem Album einen Sound, der sich in der Dämmerwelt zwischen Engelshauch und Dämonentritt einnistet. Er erzeugt mit jeder neuen Tonspur einen Wirbelsturm, der den Hörer*innen erst die Ohren und dann den Verstand entreißt. Ein Mahlstrom ohne Anfang, Mitte und Ende.

Am Ende lässt uns „Tremor“ gleichermaßen vollgetankt und leergesaugt zurück. Es ist ein Werk, das uns mit verspielter Boshaftigkeit den Boden unter den Füßen wegreißt. Eine Platte, die uns mit jeder Drehung in einen Wirbelsturm zwiespältiger Gefühle zieht, nur um uns am Ende auf einer einsamen, aber wunderschönen Insel zurückzulassen.

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