Die Münchner Muffathalle glich am gestrigen Donnerstagabend einem hell erleuchteten Aquarium der Emotionen. Was das Wiener Duo HVOB, bestehend aus Anna Müller und Paul Wallner, gemeinsam mit Tour-Schlagzeuger Alex Schuster, an elektronischer Dichte erschuf, war eine audiovisuelle Meditation über Kontrolle und Freiheit, verpackt in pulsierende Beats und hypnotischen Gesang.

Seit ihrer Gründung 2012 haben HVOB den minimalistischen Electronica-Sound zu ihrer Signatur gemacht. Was damals auf SoundCloud begann und Oliver Koletzki auf den Plan rief, hat sich zu einer beeindruckenden internationalen Karriere entwickelt. Die aktuelle Tour „The Silver Cage“ markiert dabei einen neuen künstlerischen Zyklus.

Der silberne Käfig, von dem der Tour-Titel spricht, wurde gestern visuell erfahrbar: Weiße Stroboskop-Lichter schossen von der Bühne und den Seitenwänden durch die dicht gepackte, ausverkaufte Halle – ein von der Band selbst kreiertes Lichtkonzept, das die Besucher*innen gleichzeitig einschloss und befreite.

Die Präzision von Alex Schuster am Schlagzeug verlieh den maschinellen und doch menschlichen Beats eine organische Seele, eine Wärme, die dem elektronischen Grundgerüst eine überraschende Körperlichkeit schenkte. Ganz so, als müsse er die analoge Welt vor dem digitalen Untergang retten (hat vorerst funktioniert).

Dass HVOB kürzlich den Soundtrack zum Dokumentarfilm „To Close Your Eyes And See Fire“ beitrug, der im September erschienen ist und von den Folgen der Explosion im Hafen von Beirut 2020 erzählt, spürte man in der cineastischen Qualität ihrer Live-Performance. Auch ihre Musik erzählt Geschichten, ohne Worte.

Die Setlist führte durch 12 Jahre Bandgeschichte, vom selbstbetitelten Album 2013 über „Rocco“ (2019) hin zu „TOO“ (2022) und dem aktuellen Soundtrack-Album. Nur das 2017er Album „Silk“ wurde ausgelassen.

Anna Müller brachte dabei Wärme ins Künstliche und Menschlichkeit ins Maschinelle. Ihre Präsenz war ein authentischer Dialog mit den Klängen – mal versunken, mal energiegeladen, immer präsent. Her Voice Over Boys – And Girls – und alle weiteren in der wabernden Halle.

Ihre freundlichen Ansagen ins Publikum schufen Momente der Intimität in einer Halle voller – nun nicht mehr fremder – Menschen. Annas Gesten verwandelten die kühle Perfektion der Elektronik in etwas Berührbares, und nun tanzte die Menge nicht mehr nur zur Musik, sondern miteinander.

Der besondere HVOB-Sound, der elektronisch und doch von einer menschlichen Wärme durchdrungen ist, als würden Maschinen träumen lernen, wurde authentisch und direkt erlebbar.

Mit der Zugabe, bestehend aus „2:16“, dem FM4-Hit „Dogs“ und „Jack“, verabschiedeten sich die drei Österreicher*innen von ihrem ekstatischer Pakt mit dem Publikum, jedoch nicht ohne, dass sich Anna Müller ausführlich für den jahrelangen Support bedankte. Ein weiterer Moment der Nahbarkeit in einem sonst so perfekt choreographierten Abend.

Und somit war die „Silver Cage“ kein Gefängnis, sondern ein Schutzraum für gemeinsame Transzendenz. Und wer hätte gedacht, dass man sich in einem Käfig so frei fühlen kann?

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