Hat irgendwer behauptet, das Leben sei eine geradlinige Straße? Hat nicht schon Paul McCartney 1970 im legendären Beatles-Song „The Long And Winding Road“ auf die Kurven und Verzweigungen unseres irdischen Daseins hingewiesen? Der schweizerisch-amerikanische Songwriter Samuel Koechlin – bekannt als Sam Himself – scheint dies ähnlich zu sehen, wenn er auf seinem neuen Album „Moonsongs“ die Nebenstraßen der eigenen Vergangenheit in den Blick nimmt.
In getragenem Tempo, begleitet von einer schwermütig angeschlagenen Gitarre und einem ätherischen Synthesizer, begibt sich der in Basel geborene Künstler gleich im Opener „Backstreets“ in eine nur noch im Dämmerlicht der Gedanken erscheinende Welt.
Wie schon in der wilden, windigen Nacht des Beatles-Songs regnet’s auch bei Sam Himself. Nur, dass hier der Regen nicht mehr der klassischem Tränen-Analogie zu dienen hat, sondern sein festes Prasseln aufs Taxi-Dach Erinnerungen an Gewalt evoziert.
Jenes Zusammenspiel aus Vergangenem, Gegenwart und Zukunft finden wir auf dem dritten Studioalbum des in Brooklyn lebenden Musikers, immer wieder. „I’ll just be someone you used to love“, heißt es dazu passend im melancholischen „Perfect Strangers“.
An Melancholie und Ambivalenz fehlt es auf „Moonsongs“ keineswegs. Und doch gelingt es Sam Himself in seinen Texten, abseits der Hauptstraßen der Pop-Musik eigene Wege zu finden. „love makes losers of us all”, heißt es beispielhaft in „Dance With Me”.
Neben den durchaus interpretationsoffenen Lyrics ist es vor allem die markante, an Iggy Pop oder Bill Callahan erinnernde Stimme, die hervorsticht und den zehn, zusammen mit Daniel Schlett produzierten, Songs eine Klammer gibt.
Doch wer glaubt, dass „Moonsongs“ ein bloßes Ablaufen der inneren „memory lane“ ist, kann beruhigt sein. Trotz aller Introspektionen bieten uns Sams nächtliche Hymnen immer wieder mitreißende Augenblicke, wie etwa in dem von Springsteen-Vibes getragenen und doch ganz eigenen „Pale Moon“.
Überhaupt scheint sich der Wahl-New-Yorker nach dem Vorgänger „Never Let Me Go“ weiterentwickelt und seinen eigenen Sound gefunden zu haben. Auch zunächst unscheinbare Stücke wie „Runaway“ entfalten spätestens beim zweiten Hören eine erstaunliche Sogwirkung.
Wenn nach „Goodbye Darkness“ schließlich der Vorhang fällt, blicken wir zurück auf ein starkes Album, das in der musikalischen Laufbahn von Sam Himself sicherlich mehr als eine Nebenstraße darstellen wird.
