Wenn der Albumtitel einer Punkband „I’m Nice Now“ lautet, sollte man misstrauisch werden – Upchuck beweisen jedoch unmissverständlich, dass Nettigkeit auch einfach eine neue Form von Selbstschutz sein kann. Ihr drittes Album und Domino-Debüt, produziert von Ty Segall im texanischen Sonic Ranch Studio, ist nämlich alles andere als zahm.
Das Album startet mit „Tired“, einem knackigen Zwei-Minuten-Song, dessen Instrumental dem Titel komplett widerspricht – müde klingt hier gar nichts. Der raue, nasale Gesang von Kaila „KT“ Thompson sitzt trocken und etwas entrückt im Mix, fast so, als sei die Wut durch eine Betonwand gepresst worden. Zusammen mit dem druckvollen Bass und dem körnigen Gitarrensound entsteht ein Klang, der einem direkt ins Gesicht springt.
Bis auf einen bleiben alle 13 Titel unter der drei-Minuten-Marke, wodurch die Songs zeitweise wie Demos oder grobe Ideen wirken – aber auch eine Dringlichkeit vermitteln, die zu der Thematik der Texte passt – wie ein Schlag in die Magengrube, der einem die Luft raubt.
Songs wie „New Case“ zeigen, dass die Band durchaus strukturiert arbeiten kann, während „Fried“ mit spacigen Gitarreneffekten endet. Besonders stark ist der Track „Homenaje“, in dem Schlagzeuger Chris Salgado auf Spanisch und Sängerin KT Thompson auf Englisch eine packende Dynamik aufbauen.
Ein besonderer Höhepunkt ist „Forgotten Token“: Hier zeigt KT stimmliche Varianz und singt mit spürbarer Wut über ihre Erfahrungen mit Rassismus und Ignoranz. Der Song nimmt sich mehr Zeit als die anderen und liefert dafür einen mitreißenden Breakdown, der zeigt, was passiert, wenn Upchuck nicht nach zwei Minuten schon wieder weg sind.
„We love chaos, and we love trouble, But we sure won’t last“, heißt es in „Lost One“, und genau so fühlt sich das Album an: sprudelnd, rasant, explosiv. KT hat, wie sie selbst sagt, schon immer Wut in sich getragen – mit Upchuck hat sie endlich das perfekte Ventil gefunden.
Man hört diesem Album an, dass es eigentlich in einen verschwitzten Keller gehört, mitten in den Moshpit einer Basement-Show. Wer es zu Hause hört, bekommt FOMO – aber wenigstens bleibt die Nase heil.
„I’m Nice Now“ ist scharf wie eine Sense und trifft mitten ins Mark. Selbsterhaltungstrieb war noch nie so laut.
