„Lass dir Zeit und schau dich um“, heißt es zum Auftakt von „Nah Dran“, dem vierten Studioalbum von Steiner & Madlaina. Und genau dies – sich Zeit nehmen, umschauen – empfiehlt sich, wenn die beiden Schweizerinnen neue Songs aufnehmen.

Seit 2012 machen Nora Steiner und Madlaina Pollina gemeinsam Musik. Als Schulkolleginnen, Mitbewohnerinnen und Freundinnen haben sie die Nähe untereinander stets gepflegt – und auch das Publikum ihrer Live-Auftritte daran teilhaben lassen.

„Nah dran“ ist daher nicht nur Titel des neuen Albums, sondern auch Programm. Par excellence beweist dies der schon zitierte Opener „Das bist du“. Allein von einem Klavier begleitet, lauschen wir den sorgsam gewählten Worten der beiden.

„Keine Angst, ich halte / Deine Hand und warte / Bis du weißt, wonach du suchst“, lautet das Angebot, das Steiner uns mit ihrer warmen Stimme unterbreitet. Harmonisch ergänzt wird sie dabei durch Pollinas, um eine Oktave höher angesiedelten, Hintergrundgesang.

Wies das Vorgängeralbum „Risiko“ noch deutlich rockigere Züge auf, ist „Nah Dran“ zarter besaitet und glänzt durch feine Arrangements. Dies beweist etwa das zum Zerfließen schöne Liebeslied „Leon“, dem es dennoch gelingt, nicht ins Liebliche abzukippen.

Einen ähnlichen Balanceakt zwischen süßer Verzauberung und ironischer Distanz meistern Steiner & Madlaina auch in „Du kannst nicht gut allein sein“. Der Song widmet sich auf charmante Weise der Kraft der Projektion. „Nicht du, nur eine Idee von dir, verdreht mir den Kopf“, heißt es im Chorus, dessen Melodieführung warme Gedanken an David Bowies „Starman“ erzeugt.

Neben einer Reihe von bitter-süßen Symphonien liefert uns das Zürcher Duo aber auch – in der Tradition ihres bisher größten Hits „Das schöne Leben“ (2018) – politische Stücke. Auch wenn es keine „Parolen regnet“, werden wir bei genauem Hinhören fündig.

So in „Mama, ich bin ein reicher Mann“, das mit barockem Violinenspiel beginnt und sich alsbald in eine melodiös vorgetragene Zeitdiagnose wandelt. „Wir haben versagt“, heißt es nüchtern. Doch das ist nicht das letzte Wort. Auf die Dialektik des Songwritings von Steiner/Pollina ist Verlass.

Wer sich Zeit nimmt und umschaut, wird allerlei finden. „Nah Dran“ ist ein reichhaltiges Werk, das sich in harmonischem Gewand den Disharmonien unserer Zeit widmet – und dabei auch immer wieder überrascht.

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