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Moonbootica – Future

Das Krankheitsbild der Schizophrenie assoziiert man gemeinhin mit zwei Symptomen: Stimmen hören, die eigentlich nicht da sein sollten und der dissoziativen Identitätsstörung, d.h. dem Annehmen multipler Persönlichkeiten, mit unterschiedlichen Charakteren, Emotionen und Habitus.

Als Doktor der auditiven Wahrnehmung kommt man nicht umher, dem neuen Album des Hamburger DJ-Duos Moonbootica genau diese Diagnose zu stellen. Schließlich zeigt „Future“ zwei sehr verschiedene Gesichter und lässt zahlreiche Stimmen zu Wort kommen, bei denen man sich ab und an wünscht, sie wären gar nicht da.

Es wird schnell klar: Moonboticas House steht stets offen für Besucher. So werden die ersten sieben Songs – mal dank Vocals zum etwas hyperaktiveren Pet-Shop-Boys-Cousin („Covered In Gold“ feat. Jack Beauregard) stilisiert, mal mit einem eher soulig-poppigem Flair („Do Not Do Me [Like This]“ feat. Nneka) ausgestattet – von Gast-Gesangsparts dominiert.

Die Gäste selbst tragen mal mehr, mal weniger viel zu Party bei, aber generell bleibt das bereits erwähnte Gefühl, dass ein entspannter Abend zu zweit den beiden KoweSix und Tobitob – nebenberuflich MC-Mitglied bei Fünf Sterne deluxe – besser zur Gesicht gestanden hätten.

Im eröffnenden „Lost & Found“ wabert der Sound angenehm euphorisch und man sieht sich bereits auf sonnendurchfluteter Wiese das erste Bier des Sommers öffnen, doch die lakonischen Vocals von Bondi dämpfen die Atmosphäre ein wenig. Dafür rücken sie den Song mehr in Richtung Radiotauglichkeit.

Die letzten fünf Songs wirken alle mehr aus einem Guss, homogener und auch kurzweiliger, dafür weniger abwechslungsreich. Die Vocals werden, wenn überhaupt, nur noch gesamplet und es geht insgesamt schneller, tanzwütiger und aggressiver zur Sache. Weniger statisch-schwelgend, dafür direkter nach vorne, der Zukunft entgegen.

Einen Totalausfall hat die Platte nicht zu verzeichnen, obwohl Jack Beauregards zweiter Auftritt in „Humans“ schon arg in Richtung Kitsch zieht. Glücklicherweise wird diese Tendenz im darauffolgenden „Aroma“ entspannt gestoppt.

Während sich insgesamt also sicherlich über die Sinnhaftigkeit des ein oder anderen Gastbeitrags streiten lässt, sind Moonbootica nach wie vor Beatlieferanten allererster Güte – modern und sich höchstens punktuell dem elektronischen Zeitgeist ein wenig zu arg anbiedernd. Aber Grooven ist eben wie Fahhradfahren: das verlernt man nicht.

Und so changiert „Future“ am Ende etwas rastlos zwischen der Beflügelung eines melanin-produzierenden Open-Air-Raves, zwischen Großraumdisco und technoidem Tanzbunker. Wenn man sich darauf einlässt, kann bekanntlich alles davon Spaß machen.

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