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Cat Power – Sun

Musik Rezensionen folgen gern dem Muster, das jeweils vorhergehende Album der Kulturschaffenden zu Rate zu ziehen, um zu vergleichen und um musikalische wie persönliche Entwicklungen des Verursachers kritisch zu erörtern. Würde man mit der aktuellen Veröffentlichung „Sun“ der bekennenden Alkoholikerin Chan Marshall alias  Cat Power so verfahren, käme dies dem gern bemühten Vergleich von Birnen mit Äpfeln nahe. Denn der Vorgänger „The Greatest“ von 2006  (das überwiegend aus Cover Versionen bestehende Album „Jukebox“ von 2008 sei an dieser Stelle  ausgeklammert) wird wohl auf längere Sicht unerreicht bleiben.

Als Cat Power zwischen 1995 und 1996  ihre ersten 3 Alben veröffentlichte, setzten nicht wenige Kritiker die Halbwertszeit der Künstlerin relativ niedrig an. Was allerdings nicht an der Qualität des musikalischen Outputs lag, sondern an der Vermutung, dass die in Fragilität und sehnsuchtsvoller Erwartung des Ablebens getränkten Platten so ernst gemeint waren, wie sie klangen und sich das Mädchen freiwillig aus dem Diesseits verabschieden könnte.

12 Jahre sind seither vergangen, 9 Alben hat Cat Power veröffentlicht, Abstürze und Entzüge hinter sich, bekam von Karl Lagerfeld Rosen auf die Bühne geschickt, spielte in Filmen mit, tauchte unter und wieder auf und fasziniert noch immer mit ihrer Musik, auch wenn die Herangehensweise diesmal gänzlich anders erscheint. Kein Minimalismus, kein einsames Piano oder halb akustische Gitarren bestimmen den Sound, die  Grundidee der Platte auf dem von ihr  komplett selbst eingespielten und produzierten Werk basiert auf Synthesizern und technischen Rhythmen, abgemischt vom Cassius Halbling Philippe Zdar. Zusammengefasst bedeutet das, Cat Power klingt manchmal nicht  wie Cat Power, sondern nach Disco Queen.

Die Aussagen in Ihren Texten haben sich hingegen gar nicht verändert. „You got a right to scream when they don’t want you to speak“ heißt es in „Human Being”, „Bury me, marry me to the sky/Cherokee kissame when I’m on my way down“ in „Cherokee“. Derartige Botschaften schweben dieses Mal als  Popmelodien in die Ohren der Hörer – eine Idee, auf die Talk Talk  (eine der unterschätztesten Bands der Musikgeschichte) schon in den Achtzigern gekommen sind. Folgerichtig kommt nach der Hälfte des 10 minütigen „Nothing But Time“ Feuilleton Liebling Iggy Pop zu Chan Marshall ins Studio geschlichen, um väterlich „It’s up to you to be a superhero“ zu raunen – und Ihr damit quasi einen Ritterschlag zu verpassen. Die iTunes Version hat mit dem Bonus Track „King Rides By“ noch ein echtes Highlight auf Lager.

Was bleibt? Nicht nur wegen „Peace And Love“ oder „Manhattan“ strahlt die „Sun“ hoffnungsvoll. Aber auch in Homer‘s „Odyssee“ heißt es „Die dämmernde Eos stieg mit Rosenfingern empor“ – und schon stand die nächste Katastrophe vor der Tür.

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