Achtung, hier kommt was Ungeschminktes, Rohes, Leberhaken!

Sicherheitsvorkehrungen und Geheimhaltungen rund um das achte Studioalbum der Queens Of The Stone Age sind so bezeichnend wie nachvollziehbar. Das Label gestattet keine Reviews vor dem heutigen Tag. Und tatsächlich wird sich online auch rigoros darangehalten. Niemand will es sich mit einer der größten Rockbands der Gegenwart, respektive deren Label und Management verscherzen.

Dabei war es in der Vergangenheit häufig Frontmann Josh Homme, der es sich mit den Fans verscherzte und neben ein paar unrühmlichen Aktionen, wie der Selbstverletzung mit einem Messer im Drogenrausch auf der Bühne oder der Attacke gegen eine Fotografin, einiges an Rückschlägen einzustecken hatte. Da wären die Scheidung von seiner Frau Brody Dalle sowie der Tod von Mark Lanegan und Taylor Hawkins, mit denen Homme eng befreundet war.

Nun macht der Sänger und Gitarrist obendrein kurz vor Veröffentlichung des Albums eine Krebserkrankung öffentlich, die 2022 bei ihm diagnostiziert wurde. Um welche Art von Krebs es sich handelt, lässt er offen und gibt lediglich an, dass er sich einer erfolgreichen Operation unterzogen habe.

Dass diese Dinge nicht spurlos vorüberziehen, liegt auf der Hand. Und so zeigen sich die Schicksalsschläge und die zahlreichen Blessuren, die sich Homme seit dem inzwischen sechs Jahre alten „Villains“ zugezogen hat, in nahezu jedem der zehn neuen Songs, die sich in ihrer Stimmung regelrecht als vernarbt bezeichnen lassen.

Das garstig-hypnotische „Emotion Sickness“ ist als Vorabsingle dafür nur das allzu offensichtlichste Beispiel: “Use once and destroy/ Single servings of pain/ A dose of emotion sickness/ I just can’t shake/ Then my fever broke“

Mit beißenden bis morbiden Texten prognostiziert Homme, dass die Welt in ein bis zwei Monaten untergehen wird. Selbst, wenn man mit Optimismus dagegen wettet, steigert das Album mit den für die Band so typischen Trademarks aus knochentrockenen Grooves und Riffs einen gewissen Sexappeal für den Untergang, getreu dem Motto: ‚Live fast, die young and leave a good looking corpse.‘

Man kann sich nun darüber streiten, ob es für die Herren Homme (inzwischen auch schon 50 Jahre alt), Troy Van Leeuwen, Dean Fertita, Michael Shuman und Jon Theodore dafür nicht eh schon zu spät ist, und die Vermeidung der Nervenheilanstalt nicht höher gewichtet werden sollte. Erst recht, wenn man sich die bizarren Gitarren in „Carnavoyeur“ und „Paper Machete“ oder dem völlig frei drehenden „Made To Parade“ anhört.

Obendrein würde die Ledrigkeit des Sounds dagegen sprechen, die wohl auch auf die mannigfaltige Zusammenarbeit mit Iggy Pop zurückzuführen ist. Apropos Pop: Es war nicht ausgemacht, dass Homme nochmal ein Album mit seiner Band aufnehmen würde. Er hätte sich durchaus vorstellen können, bis zu seinem Ende bei Iggy Pop Gitarre zu spielen.

Dass er und seine Mitstreiter sich anders entschieden haben und insgeheim den großen Wunsch nach besseren Zeiten hegen, ist das entscheidende bei „In Times New Roman…“ Dafür spricht eine zügellose Spielfreude, die nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Taumelns am Abgrund hervorragende Songs freilegt.

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