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The Amity Affliction – Live im Backstage, München

The Amity AfflictionEigentlich sollte man als Musikjournalist ja auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Eigentlich. Als der Verfasser dieser Zeilen am Freitagabend aus der S-Bahn vor dem Münchner Backstage  aussteigt, verlassen hinter ihm fünf tätowierte Jugendliche in schwarzen Bandshirts die Bahn. Auf den ersten Blick wirken sie wie völlig normale Konzertbesucher – vor allem weil zwei von ihnen Bandshirts der Vorband Landscapes tragen. Doch dazu später mehr.

Bis zum Bersten gefüllt ist an diesem Freitagabend der kleine Clubraum des Münchner Backstage. Die Luft steht trotz der kühlen Herbsttemperaturen förmlich – und es wäre angesichts der Zuschauermassen wohl auch ein Umzug in die größere Backstage-Halle möglich gewesen. In Hearts Wake aus Australien betreten die Bühne und beweisen mit einer konzentrierten Post-Hardcore-Performance, warum Australien derzeit auf dem Bandmarkt mächtig aufholt. Die nächste Vorband heißt Landscapes und liefert deutlich härteren Metal-Core ab, der mit melodischem Post-Hardcore nicht mehr viel gemein hat. Man merkt den müden Briten allerdings an, dass die „Brothers in Arms“-Tour lang war – und zum Tourabschluss in München nur noch letzte Energiereserven mobilisiert werden können.

Zu Violinenklängen betreten danach fünf Jugendliche in schwarzen Bandshirts die Bühne – eben jene aus der S-Bahn ausgestiegenen Jungs sind niemand geringeres als The Amity Affliction! Bereits 2002 zu Highschool-Zeiten gegründet, ist die Band mittlerweile drei Alben schwer. 2010 gelang mit „Youngbloods“ der Sprung auf Platz 6 der australischen Charts, ehe sie 2012 mit dem Nachfolger „Chasing Ghosts“ den ganz großen Wurf landeten. Platz 1 in Australien, goldzertifiziert in Australien und die Einladung zur wohl größten und legendärsten Rocktour aller Zeiten folgten: Der Vans Warped Tour in den USA. Der erste Blick täuscht allerdings, The Amity Affliction sind keine Jugendlichen mehr, sondern inzwischen Mitte 20 – und für ihr Alter strahlen sie auf der Bühne eine erstaunliche Souveränität aus.

Deutlich wird auch der Unterschied zu den Vorbands – The Amity Affliction verstehen es, brachiale Moshparts in Einklang mit zuckersüßem, cleanen Gesang zu bringen. Das ganze angereichert mit etwas Elektrospielereien und vielen Chor-Mitsingparts, die auch bei fehlender  Textsicherheit für größtmögliche Partizipation beim Publikum sorgen. „Youngbloods“ ruft erste Begeisterungsstürme hervor und bei „Chasing Ghosts“ werfen sich die ersten Hardcore-Kids von der Bühne ins Publikum zum Stagediven. „Anchors“ entfacht wilde Moshpits im Club – das Backstage ächzt, schwitzt und feiert. Bei aller Härte zeigen die Australier nämlich in ihrer Musik erstaunliche Partykompatibilität, die mit einer Portion Pop angereicherten Songs fressen sich in die Gehörgänge und setzen sich dort fest. Dabei kombinieren sie den Wechsel zwischen Gesang und Screams der frühen Atreyu und von Bring Me The Horizon inspirierte Gesangschöre mit gekonnt verpackten, melodischen Parts à la Alexisonfire. Trotzdem gelingt es The Amity Affliction dabei, ihrem Sound etwas Individuelles zu verleihen.

Insofern stehen The Amity Affliction für eine neue Generation australischer Bands. Musikformationen wie Parkway Drive genießen hierzulande schon größte Aufmerksamkeit, während andere australische Gruppen wie Karnivool sich erst in diesem Sommer in den Fokus spielten. The Amity Affliction haben ohne Zweifel das Potenzial eine der Speerspitzen dieser Bewegung zu werden. Fürs Oktoberfest haben die Australier allerdings keine Zeit mehr – direkt nach dem Münchner Tourfinale wartet am nächsten Morgen das Flugzeug. Als Sänger Joel Birch das Mikro ins Publikum streckt ertönen plötzlich laute „Oiner geht noch“-Rufe, die von den anderen Zuschauern schnell aufgegriffen werden und zu einem Chor anschwellen.

Nach 40 Minuten verlassen The Amity Affliction allerdings schon wieder die Bühne. „Open Letter“ gibt es danach als Zugabe, doch nach nur 45 Minuten verabschieden sich die Australier endgültig. Mit Songmaterial von drei Alben ein reichlich kurzes Konzert – auch wenn man bedenkt, dass drei andere Bands bereits zuvor als Supporting Acts gespielt haben. Doch eines ist sicher: The Amity Affliction werden noch größer zurückkommen – und dann auch sicher von mehr Zuschauern erkannt werden.

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