Die Generation der 20-Jährigen wird wohl als erste nach dem Krieg geringeren Wohlstand als ihre Eltern erleben. Es drohen Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Abstieg, selbst Studis bummeln nicht mehr rum, sondern funktionieren wie Halbleiterchips im Verwertungswahnsinn – was lohnt da noch das Gegenanprotestieren, Gegenansingen, Gegenanspielen. Meinen auch Messer. Und tun es doch.
Auf “Die Unsichtbaren”, ihrem zweiten Album nach dem Vorjahresdebüt “Im Schwindel” verweigern sich die vier angehenden Akademiker aus Münster schließlich aufs Neue dem kollektiven Hamsterrad der Turbouniversität. Statt zu büffeln, verbringen sie abermals stattliche Anteile ihres Alltags an den Rockinstrumenten, rotzen wieder gegen die gute Stimmung im Niedergang an, und doch ist etwas anders. Gediegen intoniert zwar, mit poetischen Worten und vertrackten Riffs, war die erste Platte vor allem eines: wütender Alternativepostpunk deutscher Sprache mit versteckten Aussagetropfen im Adrenalinstrom.
“Die Unsichtbaren” dagegen vermeldet Resignation: Fast jedes der zehn Stücke von “Die kapieren nicht” über “Staub” oder “Toll (mit Schaum vor dem Mund)” erzählt die Geschichte des Einknickens vorm Desaster der Gegenwart. Instrumentell bricht, knarzt, rumpelt, hallt es an allen Ecken und Kanten. Analoge Effekte unterlaufen die treibende Taktung von früher, bis es mitunter kakophonisch klingt. Mit viel Moll geht es atmosphärisch meist abwärts in die Tiefen der Avantgarde.
Und auch sprachlich seilen sich dazu Spinnen sinister von Lampen ab, wozu die Stimmen irgendwelcher Geister erklingen. In Erinnerung an Chicks On Speed wird “Kaltes klares Wasser” bloß als warmes, trübes Nass verwendet. Kein Wunder, dass die Gitarren dazu oft jaulen wie zwischen den trübsten Zeilen von Sonic Youth. Und Hendrik Ottrembas Gesang lässt Ian Curtis posthum selbst dann als sonniges Gemüt erscheinen, wenn es wie in “Neonlicht” mal fast ins Durhafte entgleitet.
All dies macht “Die Unsichtbaren” zum erweiterten Achtzigerjahrerevival unter anderen Vorzeichen. Wollte die Wave-Fraktion von SYPH bis DAF damals beim Verstören der Ignoranten Spaß haben, leiden Messer offenbar am Spaß der Ignoranz im Umfeld unaufhaltsamer Verstörung. Umso erstaunlicher, dass dieses Leid beim Zuhören trotzdem Spaß macht.