MusikBlog - Entdecke neue Musik

Musik für Kinder, die auch für Erwachsene funktioniert – Deine Freunde im Interview

Deine Freunde (Credit Jan Freitag/MusikBlog)Als Florian Sump, Markus Pauli und Lukas Nimscheck vor gut zwei Jahren in Hamburg Deine Freunde gründeten, war nicht absehbar, was das für Wellen schlagen würde. Ihr Debütalbum „Ausm Häuschen“ ist nämlich in aller Munde. Kindermunde. Aber auch Erwachsenenmunde. Denn Flo, in der Rapszene bekannt als Jim Pansen, Markus, genannt Pauli, Tour-DJ von Fettes Brot, und Lukas, zugleich Moderator beim KiKa, machen echten Hip-Hop für Kinder, der sie musikalisch ebenso fordert wie textlich. Auch auf dem neuen Album „Heile Welt“ geht es wieder ums Toben ebenso wie ums Streiten, um lange Autofahrten oder „Deine Mudder“.

MusikBlog: Liebe Freunde, es geht die Legende, ihr seid entstanden, weil die Kita, in der Florian arbeitet, einen Rap bestellt hat. Stimmt das so?

Florian: So ähnlich, allerdings aus Eigeninitiative, weil wir in der Kita seit Jahren dieselbe Musik gehört hatten. Das wollte ich mal ein bisschen variieren und habe Pauli gefragt, mit dem ich schon seit Jahren Musik mache und der wiederum mit Lukas.

Pauli: Und weil wir uns alle schon gut kannten und die Aufnahmen zu „Schokolade“ so viel Spaß gemacht hatten, haben wir einfach zusammen weitergemacht und eigentlich jede Woche im Übungsraum ein neues Lied aufgenommen.

MusikBlog: Mit dem Ziel, die Kindermusik zu revolutionieren?

Florian: Nein, wir wollten uns nie gegen etwas, sondern höchstens für uns positionieren. Es ging zunächst mal um unseren eigenen Spaß an der Sache. Und dass den auch Kinder haben, konnte ich ja jedes Mal bei mir in der Kita testen, wenn ich ein neues Demo vorgespielt habe. Daraus ist eine große Eigendynamik entstanden.

Lukas: Zumal man nur gegen etwas revoltieren kann, was man auch kennt. Von uns weiß bis heute keiner allzu viel von anderer Kindermusik. Aber stimmt schon: was wir im Laufe der Zeit kennengelernt haben, war oftmals relativ unerträglich. Da sind wir hinein gestoßen.

Florian: Erst als wir einen Fuß in der Tür dieser Musikrichtung hatten, habe ich angefangen, mich umzuhören. Trotzdem haben wir uns keine Marktlücke gesucht, die Marktlücke hat uns gefunden.

MusikBlog: Und zwar eine, die Kinder ruhig musikalisch und textlich fordern darf?

Lukas: Absolut. Aber wir wollen dabei nicht didaktisch sein und den Kindern mit jedem Lied zwanghaft irgendwas beibringen: Zähneputzen, links-rechts-links gucken – so hört man ja als Erwachsener auch keine Musik. Wir wollen gut unterhalten und ganz wichtig: unsere Songs genauso gut produzieren wie für jede andere Altersklasse.

Pauli: Deshalb hat sich die Arbeit an sich an den Songs auch überhaupt nicht geändert. Da erfordert jeder einzelne die gleiche Sorgfalt.

Florian: Das macht es zu Musik für Kinder, die auch für Erwachsene funktioniert. Deshalb haben wir überraschend viele von denen ohne Kinder im Publikum.

Pauli: Selbst in der Hip-Hop-Branche, in der man ja schnell mal als nicht „real“ gilt, haben wir richtige Fans.

Lukas: Man darf ja auch nicht vergessen, dass jene, die mit deutschem Hip-Hop aufgewachsen sind, jetzt oft eigene Kinder haben. Denen bieten wir, auch wenn das kitschig klingt, ein Erlebnis für die ganze Familie.

Florian: Da mussten auch viele Konzertveranstalter erst lernen, dass Erwachsene sich das allein anhören können. In dem Punkt setzen wir uns doch von anderer Musik für Kinder grundsätzlich ab.

MusikBlog: Weil ihr die anders als andere mit Ironie fordert?

Lukas: Ich würde es eher Überhöhung nennen.

Florian: Ein verträgliches Augenzwinkern. Etwa wenn es um ernste Themen wie Leistungsdruck und Streit geht, also echte Probleme.

MusikBlog: Also doch ein didaktischer Ansatz.

Lukas: Aber eben nicht als Ursache, sondern Effekt. Und ich höre auch eher von Eltern, dass das nach hinten losgeht, wenn sie mir sagen, immer, wenn ihre Kinder aufräumen sollen, singen sie unseren Refrain „Räum doch selber auf!“. Das gab’s vorher wohl eher nicht.

MusikBlog: Was aber schon gewertet wird, wenn ihr zum Auftakt der neuen Platte in „Attacke“ erst „Dutzi Dutzi Dutzi, ganz genau nau nau“ singt und dann zu „Scherz, keine Sorge, Deine Freunde klingen so“ den Bass reindrückt.

Lukas: Aber auch da hab ich mein Testpublikum in der Kita, das den Dutzi-Dutzi-Einstieg zu Beginn ebenso ernst nimmt wie den Rap danach. Wir wollen nichts schlecht reden, ehrlich.

Florian: Es geht nur darum, was wir selber mögen, nicht was wir an anderen ablehnen.

Pauli: Da ist kein erhobener Zeigefinger.

Florian: Und wir wollen mit niemandem Streit anfangen.

MusikBlog: Auch nicht mit Rolf Zuckowski?

Florian: Mit dem schon gar nicht. Unser Pate.

Lukas: Wir veröffentlichen ja auf seinem Label, das er eigens für uns gegründet hat.

Pauli: Genau damit wollte er zeigen, dass es mittlerweile auch andere Kindermusik gibt.

Florian: Wobei Kinder in seinen Texten auch schon Probleme haben durften. Deshalb passen wir gut zueinander. Er lässt uns von seiner Erfahrung lernen, ohne uns reinzureden.

Lukas: Ein sehr weiser Kumpel.

MusikBlog: Aber musikalisch aus einem völlig anderen Metier.

Lukas: Eher Singer/Songwriter, genau. Aber auch wir kommen ja aus unterschiedlichen Richtungen. Ich zum Beispiel habe vorher nie Hip-Hop gemacht, sondern mit Pauli eher Remixe.

Florian: Wobei wir auf dem neuen Album weiter weg vom Hip-Hop in den Pop vordringen, was kleinen Kindern musikalisch oft einiges abverlangt.

Pauli: Wir müssen uns ja auch weiterentwickeln, statt immer nur Viervierteltakt. “Rumfrickeln” macht gerade mir mehr Spaß.

Florian: Und ich habe gemerkt, dass man selbst Kleinkindern musikalisch viel mehr zumuten kann, als Erwachsene oft denken. Deshalb nehmen wir die auch genauso ernst. Als ich meine Kinder in der Kita mal gebeten hatte, ihre Lieblingsplatte mitzubringen, war alles Mögliche dabei: Peter Fox…

MusikBlog: …Slayer.

Florian: (lacht) Das nun nicht. Aber Dinge, die sie inhaltlich vielleicht nicht verstehen, aber musikalisch schon.

Lukas: Man lügt sich ja auch in die eigene Tasche, wenn man Kinder unterfordert. Denn die haben ja auch ein Leben abseits von Deine Freunde, sehen fern, spielen Computerspiele. Und da geht ja auch nicht alles wie beim Sandmännchen zu.

Pauli: Und wenn wir auf Festivals gespielt haben und in den Umbaupausen lief Techno, haben die Kinder eben dazu getobt.

Lukas: Obwohl wir oft schreien, laut und technoid sind, gibt bei uns vor der Bühne keine heulenden Kinder. Und das, obwohl die schon bei Märchenvorführungen teilweise heulend auf Mamas Arm landen. Darauf sind wir wirklich stolz.

MusikBlog: Aber kommt nicht auch manchmal das Bedürfnis auf, wieder Musik ohne Furzwitze und Kinder vor der Bühne zu machen?

Pauli: Ja, aber das machen wir ja auch alle in anderen Projekten, nur nicht zusammen. Ich trete zum Beispiel mit Fettes Brot auf.

Florian: Mir haben Deine Freunde sogar aus einem kreativen Tief geholfen, deshalb fühle ich mich gerade zu wohl, um was zu vermissen.

Lukas: Zumal man in Zeiten von Social Networks in der Erwachsenenmusik immer getrieben wird, ob das cool genug ist, Underground oder doch Mainstream. Diese Sorge haben wir nicht. Man wird sehr entspannt. Auch, weil der Tour-Rhythmus wahnsinnig unstressig ist.

Florian: Nicht wie sonst morgens aufbauen, nachmittags Soundcheck und dann diese nervöse Zeit bis zum Auftritt; jetzt bauen wir auf und eine Stunde später geht’s los.

Lukas: Und dann sind Konzerte für uns auch noch geradezu therapeutisch, weil wir danach unglaublich viel positive Resonanz kriegen, was die Musik Eltern und Kindern bedeutet.

Florian: Gerade Kinder begegnen uns dabei voll auf Augenhöhe, die haben noch nicht dieses Stardenken. Das macht echt Spaß. Kinder sind halt das Derbste.

MusikBlog: Habt ihr eigentlich selber welche?

Pauli: Nein.

Florian: 18 nicht leibliche, kein eigenes.

Lukas: Irgendwann schon, aber Kindermusik setzt nicht voraus, auch eigene zu haben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke