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SOHN – Tremors

Sohn - TremorsWoher kommt dieser Rauch? Oder ist es Wasserdampf, der hier am Ende der Straße aufsteigt? Einer schwarzen und matschigen Straße, die durch eine weiße Winterlandschaft führt, umgeben von Bergen. Ganz vorne steht jemand. Jemand, der irgendetwas bei sich trägt und auf den Ursprung der Rauch- bzw. Dampfsäule blickt, die den blauen Himmel in zwei Hälften teilt.

Das Cover des Debüt-Albums „Tremors“ von SOHN wirkt auf den ersten Blick geheimnisvoll. Was ist hier passiert? Ein Verkehrsunfall oder ein Naturschauspiel? Ein kleines Erdbeben, eine Erschütterung – darauf deutet zumindest der Titel hin. Geheimnisvoll wirkt auch der Kopf hinter SOHN, Christopher Taylor. Er kleidet sich schwarz, trägt eine Kapuze und verschanzt sich hinter seinem Keyboard. Taylor wirkt wie ein moderner Mönch vor einer Orgel.

Die „Orgel“ hat keine Pfeifen, dafür jede Menge Kabel, die zu verschiedenen Geräten führen, mit denen der Musiker seine Stimme und die Melodien aus dem Keyboard bearbeitet und mit Rhythmen unterlegt. Christopher Taylor kommt aus London, lebt jetzt aber in Wien – zwei Städte, die bekannt sind für ihre elektronische Musik. Diesbezüglich erfüllt SOHN mit seinem Debüt-Album alle Erwartungen. Schon vom ersten Ton an ist klar: Hier herrscht Perfektion.

Das Album beginnt mit wenig Elektronik. Die ersten beiden Songs „Tempest“ und „The Wheel“ setzen vor allem auf Gesang, oder besser gesagt auf einzelne Gesangsfetzen, die Christopher Taylor durch seine zahlreichen Effektgeräte schleust und mit sanften Tönen kombiniert. Die Synthie-Strings bleiben im Hintergrund und die Drums beschränken sich auf minimale Geräusche, die vor sich hin klackern. Im Mittelpunkt steht die klare Tenorstimme Taylors mit ihrem melancholischen Gesang.

Bei „Artifice“ kann man zum ersten Mal von einem richtigen Popsong sprechen. Hier werden die Elektrogeräte, die der SOHN auf seinem Arbeitstisch aufgebaut hat, zu einer ganzen Band. Diese gibt ein schnelleres Tempo vor, rockt mit ihrem Frontmann durch Höhen und Tiefen und unterstützt seinen Refrain mit einem kräftigen Background-Chor: „Somebody better let me know my name, before i give myself away“. Bis auf diese Ausnahme ist „Tremors“ sehr minimalistisch gehalten. Keines der 11 Stücke klingt an irgendeiner Stelle überladen.

Christopher Taylor ist ein Meister der leisen Töne und gibt seinen Texten viel Raum. Es geht um Wunden aus der Vergangenheit, die auch noch in der Gegenwart nachklingen, wie ein Nachbeben. Ein stilles Beben. „My love don’t love me“ heißt es in „Bloodflows“. Christopher Taylor spielt den verletzten Künstler mit der schönen Stimme. Die Elektronik tut den Rest und macht aus seinen Songs ein gut durchzuhörendes Gesamtwerk.

Höhepunkt auf dem Album ist der Titeltrack „Tremors“. Hier sind sie wieder, die Nachbeben, „Vibrations of tremors that shook long ago“ und diesmal sind sie auch zu hören, wenn sie die leisen Marimba-Töne im Hintergrund durchbrechen, als tiefe Synthie-Bläser, die schwermütig den Abschied unterstreichen: „If you’re thinking of letting me go, then it’s time that you do“.

Nein, SOHN, hier ist Abschied fehl am Platz. Bleib und gib uns mehr von diesem Sound.

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