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Rock ‘n’ Roll ist Gott – The Subways im Interview

“Currently we are in @Podolski10 land” twitterte Billy Lunn. “Ah, guter Einstieg zum Aufwärmen des Gesprächs” dachte sich der Kölner Musikjournalist, der sich ein paar Stunden später mit den Subways über ihr neues, selbstbetiteltes Album unterhalten sollte. Gesagt getan. Die drei Arsenalfans waren direkt bei der Sache und überschlugen sich in ziemlicher Begeisterung für den Stürmer Lukas Podolski. Selbst Drummer Josh Morgan, der im Rest des Interviews nur noch ca. vier Sätze rausbekam, setzte zu einer Lobeshymne an. „Schön!“, dachte sich der Musikjournalist, „Kann man bestimmt was draus machen“. Aber der Ball ist rund und für Podolski rollte er bekanntlich Anfang Januar nach Inter Mailand. Idee nicht mehr aktuell und damit gegessen.

Aber es gibt ja noch das neue Album. Immerhin vier Jahre liegen zwischen „Money and Celebrity“ und ihrem vierten Longplayer „The Subways“. Untätig war das Trio allerdings trotzdem nicht. Denn einem Live-Auftritt ist die Band nie abgeneigt und hat immer überall da gespielt, wo eine Bühne zu finden war. Dass Billy Lunn während dieser Zeit auch durch ein paar persönliche Jammertäler gewandert ist, kann man dem selbstproduzierten Album nicht direkt anhören. Auf „The Subways“ zeigt sich die Band jedenfalls nach wie vor taufrisch und offensiv rockend. Wir trafen Billy Lunn, Charlotte Cooper und Josh Morgan zum Plausch über die Entstehung des Albums, die persönlichen Damönen von Billy Lunn und wie es ist, als Band 13 Jahre zusammen zu sein.

MusikBlog: Ihr habt Euer neues Album zum ersten Mal komplett alleine produziert. War das eigentlich wirklich so schwer?

Billy Lunn: Wir haben vorher eigentlich niemals richtig geglaubt, dass wir es ganz allein schaffen könnten. Aber als wir dann den fertigen Mastermix abgeliefert hatten, fühlten wir wirklich echte Freude, Stolz und Erleichterung, dass wir es durchgezogen haben. Denn während der Produktion gab es tatsächlich einen Moment, in dem wir ein wenig an unseren Fähigkeiten gezweifelt haben. So ganz ohne Label, Produzent und Tontechniker im Rücken, muss man schon einiges an Planung, Organisation und technischem Know-how berücksichtigen, um so eine Produktion ganz alleine durchzuziehen. Dabei ist uns irgendwann auch klar geworden, dass wir früher eigentlich immer den leichteren Part hatten. Aber jetzt sind wir wirklich stolz auf uns. Und deshalb heißt das Album einfach nur „The Subways“, denn es besteht auch zu 100 Prozent aus den Subways.

MusikBlog: Wie hat es sich denn konkret ausgewirkt, wenn man vollkommen auf sich gestellt ohne Producer und Tontechniker sein Album produziert?

Billy Lunn: Das Album ist die kreativste Sache, die wir seit langer Zeit gemacht haben. Wir hatten dadurch absolute Freiheit und waren in Sachen Songwriting und Ideen wirklich für alles offen. Bei Josh hat kein Produzent reingeredet, welchen Beat er spielen soll. Und Charlotte hat wirklich gute Texte geschrieben und ihre besten Vocals eingesungen. Ihr Gesang wurde früher gern mal zu sehr in den Hintergrund gemischt. Bei diesem Album haben wir wirklich das Gefühl, dass wir wirklich alles rausgelassen haben und nichts zurückgehalten haben. Es ist absolut ehrlich. Es ist DIY. Es ist Punk. Es ist so wie damals, als wir angefangen haben und unsere Demos noch in den Küchen unserer Eltern aufgenommen haben.

MusikBlog: Manche deiner Texte sind persönlicher geworden. In ihnen arbeitest Du anscheinend eine schwierige Phase in deinem Leben auf. In „Good Times“ geht es zum Beispiel um Deine Depression und in „I’m In Love And It’s Burning In My Soul“ setzt Du dich mit Deinem Alkoholentzug auseinander.

Billy Lunn: Ich bin generell ein sehr offener Mensch. Ich fühle mich einfach nicht wohl dabei, wenn ich nicht absolut ehrlich bin. Als ich mich damals vom Alkohol verabschiedet habe und mich zu Hause erholt habe, schwappten eine Menge Gefühle und Emotionen in mir hoch, die ich vorher immer betäubt oder verdrängt hatte. Ich musste mich dem einfach stellen und mich mit damit auseinandersetzen. Und für mich ist es immer das beste, das in einem Song zu tun.

MusikBlog: Du hast deine Dämonen also ganz klassisch durch Kreativität ausgetrieben.

Billy Lunn: Ich habe schon viele Probleme in meinem Leben dadurch gelöst, in dem ich sie in einen Song bzw. in Musik umgewandelt habe. Das hat mir schon immer geholfen. Sei es bei Depressionen oder dabei, mich überhaupt erst einmal selbst zu finden. Es ist wie eine Therapie. Als ich noch ein Kind war, hat mir Musik einen Halt gegeben und mir bewusst gemacht, wer ich bin und was aus mir werden kann. Die ersten zwei Zeilen von Oasis‘ „Supersonic“ waren für mich zum Beispiel ein Schlüsselerlebnis – „I need to be myself, I can’t be no one else“. Diese Worte haben damals mein Leben verändert. Deshalb verspüre ich auch in meinen Songs die absolute Notwendigkeit, ehrlich zu sein und auch solche Themen wie meinen zeitweiligen Alkoholismus nicht auszusparen.

MusikBlog: Mit dem Album geht es auch wieder auf eine ausgedehnte Tour. Es sind immerhin 43 Shows in sechzehn Ländern. Und wenn man sich den Tourplan ansieht, fällt einem auf, dass ihr auch ziemlich oft in Deutschland zu sehen sein werdet. Man könnte fast schon den Eindruck bekommen, dass es euch hier gefällt.

Billy Lunn: Die deutschen Musikfans lieben einfach Rock ‚n‘ Roll. In England geht’s inzwischen mehr um Pop, Pop und nochmals Pop. Den mögen wir zwar auch, aber wir haben das Gefühl, dass es in England immer weniger Raum für Bands wie uns gibt. Aber wenn wir hier spielen, ist es immer großartig. Als Dankeschön haben wir ja auch schon mal Songs von uns auf Deutsch gesungen. Charlotte spricht ziemlich gut Deutsch.

Charlotte Cooper: (lacht) Naja, ein bisschen. Ich kann mir immerhin eine heiße Schokolade bestellen.

Billy Lunn: Ah, sie spricht schon sehr gut. Sie ist einfach zu bescheiden.

Charlotte Cooper: Seit wir vor vielen Jahren das erste Mal im Vorprogramm von Weezer in Hamburg gespielt haben, lieben wir es, in Deutschland zu spielen. Seitdem waren wir oft hier auf Tour und haben auf großen Festivals gespielt. Es fühlt sich fast schon wie eine zweite Heimat an.

MusikBlog: Ich habe euch zweimal gesehen. Und bei der Energie, die ihr auf der Bühne rüberbringt, hat man das Gefühl, dass Live-Spielen für euch wirklich essentiell ist.

Billy Lunn: Wenn wir live spielen, dann sind wir wirklich absolut authentisch und nur wir selbst. Nichts ist gestellt oder künstlich. Wir sind eigentlich eher ruhige Menschen, wenn wir nicht auf der Bühne sind. Aber wenn wir spielen, lassen wir die animalische Seite von uns raus. Jeder Mensch hat tief in sich verborgene Gefühle und Empfindungen, die er irgendwie ausleben muss. Und nicht jeder hat dieselbe Möglichkeit, es wie wir zu tun. Deshalb sind auch Kunst, Musik, Bücher, Filme, Theater und sogar Sport so wichtig, weil man dort die Möglichkeit hat, sich auf seine eigene Weise auszudrücken.

MusikBlog: Übrigens Gratulation. Inzwischen gibt es euch fast schon dreizehn Jahre. Damit seid ihr als Band immerhin schon älter als die Beatles. Viele Bands verschwinden nach relativ kurzer Zeit wieder. Überrascht es euch manchmal selbst, dass es euch gelungen ist, solange dabei zu sein?

Billy Lunn: Schon verrückt. Aber natürlich sind die Beatles schon um einiges wichtiger als die Subways. Aber ich erinnere mich noch daran, als wir 2004 unseren ersten Plattenvertrag unterschrieben haben. Der Anwalt, mit dem wir den Vertrag durchgingen, meinte zu uns „Ich mache so etwas ständig für Bands. Und ich muss euch sagen, dass ich es für ziemlich unwahrscheinlich halte, dass es euch länger als fünf Jahre geben wird. In der Rock ‚n‘ Roll-Industrie zu sein, ist eine sehr kurzlebige Sache. Und kaum einer schafft es länger.“ Aber: Überraschung! Überraschung! Wir sind immer noch da! (lacht) Und wir rocken immer noch! Aber es ist schon unglaublich, dass wir es so lange geschafft haben. Ich wache jeden Morgen auf und denke „Wow! Ich träume nicht. Das ist alles Wirklichkeit!“.

MusikBlog: Hast Du eine Erklärung dafür, warum ihr es so lange geschafft habt?

Billy Lunn: Zum einen liegt das wohl an unseren Persönlichkeiten. Wir haben immer an die Band geglaubt und wir wussten, dass genug Substanz in uns steckt, um immer weitermachen zu können. Und zum anderen liegt es natürlich auch an unseren Fans. Wir haben unglaublich ergebene, loyale Fans, die somit auch ein sehr wichtiger Teil dieser Band sind und sich quasi für alles interessieren, was wir machen.

MusikBlog: Es gibt Musiker, die gern behaupten, dass sie manche Platten, die sie aufgenommen haben, danach nie wieder gehört haben. Wie ist das bei euch? Hört ihr euch eure alten Alben an? Oder passiert es, dass ihr irgendwo seid und plötzlich läuft ein Subways-Song?

Charlotte Cooper: Das kommt vor. Als ich neulich in einer Bar war, lief plötzlich „Young For Eternity“. Und ich dachte mir „Hm, da klingen wir aber noch sehr jung.“ Aber natürlich waren wir ja damals auch noch absolut jung. Jedes unserer Alben hat einen anderen Moment unseres Lebens eingefangen. Nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern auch für uns persönlich.

Billy Lunn: Es ist eben wie ein Tagebuch. Man hat es damals so geschrieben und kann nichts mehr daran ändern. Aber ich bewundere mein 19-jähriges Ich. Wenn ich daran zurück denke, wie naiv, unschuldig und dumm ich da noch war, denke ich mir „Wow! Das hast Du gut gemacht“. (lacht)

MusikBlog: Klar, „Young For Eternity“. Aber auch an euch nagt der Zahn der Zeit und wie eure Fans marschiert ihr jetzt auch schon auf die Dreißig zu. Bei Billy war es letztes Jahr sogar schon so weit. Was haben die Subways bislang eurer Generation gegeben?

Billy Lunn: Ich hoffe, gute Partymusik. Es berührt uns immer, wenn Fans erzählen „Mein Mann und ich haben uns eine Textzeile von euch auf den Arm tätowieren lassen“. Oder: „Wir haben auf unserer Hochzeit zu eurem Song getanzt.“ Oder: „Wir haben uns auf einem eurer Konzerte kennengelernt.“ Auf diese Weise ein Teil im Leben anderer Menschen zu werden, ist schon großartig. Ohne dass wir sie jemals selber getroffen haben, haben wir es geschafft, ihr Leben ein wenig zu beeinflussen. Absolut verrückt! Aber es reicht auch schon, wenn uns Leute einfach nur sagen, dass sie unser Album auf einer Party gespielt haben und damit jede Menge Spaß hatten.

MusikBlog: Und welche aktuelle Band macht euch zur Zeit am meisten Spaß? Oder mal weiter gefragt: Wie wird’s für den Rock ‚n‘ Roll weitergehen?

Billy Lunn: Ich hoffe, dass Pop wieder weniger präsent sein wird. Denn ich liebe eben einfach Rockmusik. Sie hat mein Leben verändert. Und deshalb ist Rock ‚n‘ Roll für mich Gott!

Charlotte Cooper: Von den Bands, die wir in letzter Zeit gesehen haben, hat uns Purple am meisten beeindruckt. Sie werden jetzt auch mit uns auf Tour sein. Sie haben so eine unglaubliche Energie. Solange es Bands gibt wie Purple, wird der Rock ‚n‘ Roll nicht untergehen.

Josh Morgan: Für mich sind sie wie eine Erleichterung. Als ich Purple zum ersten Mal gehört habe, dachte ich mir „Gott sei Dank! Endlich mal wieder eine gute Band!“. Und sie kennen auch diese ganzen alten Sachen, die wir auch lieben, wie zum Beispiel Nirvana.

Billy Lunn: Wenn Du denkst, Du hast schon alles gesehen und gehört, kommt immer wieder eine Band wie Purple und haut Dich aus den Socken.

MusikBlog: Eine Band, die das bei Dir anscheinend nicht geschafft hat, ist 30 Seconds To Mars. Zwischen Dir und Jared Leto hat es ja letztes Jahr etwas gedonnert.

Billy Lunn: Viele Leute mögen ihn. Aber ich kann ihn einfach nicht ab. Ich mag auch seine Band nicht. Ich denke, dass er einfach ein Schwanz ist. Über mich denkt er wahrscheinlich dasselbe. Aber das ist ok! Seine Fans halten mich auch für einen Schwanz, weil ich das öffentlich über ihn gesagt habe. Aber auch das ist in Ordnung. Ich respektiere das. Man kann und muss eben nicht jeden mögen. Jared Leto macht wahrscheinlich für seine Fans einen ziemlich guten Job. Aber mir gefällt es einfach nicht.

MusikBlog: Es gibt Bands, die sich nach so langer Zeit kaum noch ertragen können und die ihre Kommunikation nur noch auf das Professionelle beschränken. Wie sieht das bei euch aus?

Billy Lunn: Ich hasse diese Typen (lacht). Nein, wir sind jetzt enger zusammen denn je. Es ist viel angenehmer. Früher hatten gab es auch schon mal eher schwierige Zeiten, aber jetzt haben wir viel mehr Spaß miteinander.

Charlotte Cooper: Es ist jetzt alles viel entspannter und das genießen wir.

Billy Lunn: Beim Rock ‚n‘ Roll geht es darum, jemand zum Lächeln zu bringen. Und wir lächeln ziemlich viel.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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