Es gibt diese seltenen, unangekündigten Momente, in denen mein Kater zu mir in das Bett gesprungen kommt und ohne ersichtlichen Grund tierisch losschnurrt. Genau dieses wohl als Schmusealarm rubrizierbare Nu stellt sich ein bei einem Sylvan Esso-Konzertbesuch. Alle glücklich. Alle beseelt. Und es fühlt sich noch nicht mal kitschig an. Dafür sind die beiden Protagonisten, das schnuckelige Pärchen Amelia Meath und Nick Sanborn aus Durham, North Carolina, einfach zu sympathisch. Widrigkeiten haben keine Chance, selbst wenn es eine so gewichtige wie die Location ist.
Das Prince Charles ist ein Club und für Live-Konzerte alles andere als geeignet. Zu niedrige Deckenhöhe für vernünftige Klangentfaltung; ein Mischpult, das seinen Namen nicht verdient; keine zentrierte Bühnensituation, sondern eine in die Raumecke gequetschte Bühne, die zwei Publikumslinien schafft, aber nur zu frontaler Seite mit Lautsprechern ausgerichtet ist; der Live-Act hat keinen separaten Bühnenzugang und muss durch die Menge, bei Sylvan Esso immerhin kein Nachteil, siehe Schmusealarm.
Alles in allem ein Ort, an dem man einer Band nicht wünscht, live auftreten zu müssen. Doch zum Glück sind Sylvan Esso keine echte Band, sondern ein Live-DJ und eine Live-Sängerin. Und ein glückliches Pärchen. Das fancy Berliner Clubansprüchen taugende Soundsystem sprudelt die Beats und Bässe, zumindest frontal vor der Bühne, dann doch gut genug durch den nicht-optimierten Raum. Und selbst mit beschissenem Sound, alle wären glücklich oder schnurrend gegangen. Wie zwei Honigkuchen strahlten Meath und Sanborn um die Wette, ob des übervollen, ausverkauften Venues und gaben ihr liebenswürdiges Mojo über die Performance weiter an das begeisterte Publikum.
Sylvan Esso waren schon ein paar Mal in Schland am Start seit dem Erscheinen ihres Debüts im Sommer 2014, kein Wunder, sind sie doch auf einem der besten deutschen Label City Slang beheimatet. Aber das brechend volle Prince Charles, womöglich dreihundert Menschen (ja, ich schreibe mit Absicht Menschen und nicht Mann) stark, schwer zu sagen bei der Raumaufteilung, war dann doch mehr als sich die beiden Newcomer erhoffen konnten. Dem zeitgenössischen Electro-Pop geschuldet, ist das Publikum sehr jung, sehr urban und sehr hip – man trägt haters-gonna-hate-Botschaften und dergleichen vor sich her.
Sind die Musiker sichtlich gerührt, wird das Publikum kollektiv rot, scheint es. Das Wechselspiel aus tosendem Applaus hier und Überwältigtsein dort, schafft Raum für Einmaligkeiten – Sanborn etwa, wie er sich, zur merklichen Überraschung seiner Sängerin, zu einem regelrechten Beats polternden DJ-Solo am Ende von „H.R.S.T.“ hinreißen lässt. Auch schön: der Abbruch und Neubeginn beim dritten Track, weil Sanborn den Percussion-Beat zu spät dropte und seinen Patzer mit dem zutreffenden Spruch goutierte „You can fuck up a lot of things, but you can’t fuck up the drums!“.
Klar sind „Coffee“, „Dreamy Bruises“, „Could I Be“ oder „Hey Mami“ die Mitsingknaller gewesen, klar gab es genau einen neuen Song, klar war das Konzert zu kurz, „this is our last song, you guys know, we only have one record?“, klar ging das Konzert zu spät los, bei ausverkaufter Hütte. Es hätte vieles für einen enttäuschenden Abend sprechen können im haters-gonna-hate-Park. Aber das glückliche Pärchen aus Durham hat, wie auf ihrem Album, einen Zauber, ein Ass, ein Credo im Gepäck, das es erfolgreich musikalisch in die Welt pustet: Liebe.