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Björk – Vulnicura

Björks neuntes Studioalbum (die meisten schreiben achtes, je nachdem, ob man ihr 1977 erschienenes Kinderalbum, als sie als 12-jährige einen Gesangswettbewerb im Radio gewann und ein Album voller ins isländische übertragener Cover-Versionen von Pop-Klassikern aufnahm, dazu zählt oder nicht, ich tue es) ist sperrig.

Wie bei fast allen großen Acts heutzutage, die weit im Voraus angekündigt werden, wurde auch Björks Album geleaked. Umdisponierend ist es daher digital bereits am Start, und auch physisch hat man es einige Wochen auf Mitte März vorgezogen. Wie viele Leaks es wohl noch braucht, bis die Majors umstellen und Hype-Generierung und Werbetrommelrühren auf nach Veröffentlichung stellen und nicht auf davor? Eine Verfahrensweise, die etwa Queens Of The Stone Age bei ihrem letzten Kracher anwandten, als sie ihr Album vage, aber terminlich nicht konkret, ankündigten und dann schnurstracks ohne Umschweife zu veröffentlichen. Dieser Weg scheint immer angebrachter, je größer der Act.

Nun hätten wir also ein paar Wochen medial darauf vorbereitet werden sollen, dass es sich hierbei um Björks großes Trennungsalbum handelt. Die in der Kunstwelt prominente Beziehung zum multimedialen Gegenwartskünstler Matthew Barney ist nicht mehr, die gemeinsame Tochter nun ein Promi-Scheidungskind. Das Cover prangt eine riesige, gewiss absichtlich vulva-ähnlich gehaltene Wunde über den gesamten Oberkörper; der Titel: ein Fantasiewort aus dem lateinischen vulnus (Wunde) und curare (heilen). So weit, so arty.

Dass dies der mit Abstand selbsttherapeutischste und durchaus auch selbstgefälligste Ansatz für ein Björk-Album ist, überrascht, kannte doch sonst die Kunstkonzeption Björkscher Ontologie keine Grenzen. Man denke an den Vorgänger „Biophilia“, stark in der Substanz, aber nervend mit Multimedia Schnickschnack und Pseudo-Interaktivität, weil es für die Smartphone- und iTunes-User Bahnbrechendes leisten wollte. Und in der Tat: für Björks Verhältnisse, die unfassbar häufig irritierende Schönheit mit ihrer Musik zu erzeugen wusste (entgegen ihres so disharmonischen Gesangs), ist der Einstieg in „Vulnicura“ einigermaßen zäh und unempathisch. Da heult sich halt jemand aus.

Besser und zugänglicher wird es auf der zweiten Hälfte. Hier spürt man den beat- und electro-lastigen Geist durch die Produzentenhilfe der Electro-Avantgardisten The Haxan Cloak und Arca. Letzterer ein immer heißer gehandelter Name im Pop-Business, der schon an Kanye West-Songs schraubte und FKA twigs zweite EP produzierte. Hier schichten sich Beats, surren Streicher scharf links und rechts am Kopf vorbei und trägt die Instrumentierung die verletzten und verlorenen Gefühlslagen der Björk emotional mit.

Schönster Moment ist nicht zum ersten Mal ein Gastauftritt Antony Hegartys, das Kollaborationsmonster schlechthin (welche Platte hat er nicht mit seiner Gastpräsenz veredelt, während seine Soloalben eher speziell sind?), wie er da stimmlich einbricht, mitten in dem Post-Dubstep-Zucker „Atom Dance“, und souverän für Gänsehaut sorgt. Man hätte sich das ganze neunte Studioalbum Björks auf den Höhen des Finales gewünscht, allein Björk ist kein Wunschkonzert.

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