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Erfolg – Erfolg

Manchmal fällt der Apfel eben doch weiter vom Stamm als angenommen. Johannes von Weizsäcker hat sich als leibhaftiger Großneffe des ehemaligen Bundespräsidenten nicht Wissenschaft und Politik, sondern der Musik verschrieben. Diese betreibt der Berliner aktiv seit Anfang des Milleniums mit der Band The Chap, die es immerhin in das Vorprogramm von Gotye schafften.

Deren Pause nutzte von Weizsäcker für sein Solo-Projekt Erfolg, für das er Songs mit deutschen Texten schrieb, obwohl der Respekt vor seiner Muttersprache ihn bis dahin daran hinderte. Mit der Reife des vorrückenden Alters und der daraus resultierenden Einsicht in die Notwendigkeit, der Gefahr ins Antlitz zu schauen, überredete er sich dann doch dazu.

Nachdem das Titelstück seines Debüts bereits den Euphorie/Staatsakt-Sampler „Keine Bewegung“ eröffnete, gibt es jetzt ein komplettes Album, unterstützt vom besten Damenchor aller Zeiten. Auf Öffentlichkeits-Tauglichkeit getestet hat der Musiker mit seiner, nicht nur aus Damen bestehenden, Singgemeinschaft einige seiner Songs schon im vergangenen Jahr, als er als Support mit der Grand Dame der Hamburger Schule Bernadette La Hengst unterwegs war und in jüngerer Vergangenheit auf der Tour mit seinen Label-Kollegen von Der Mann.

Für die zusätzliche Materialgewinnung schrieb er im Herbst 2014 jeden Tag einen neuen Song, um ihn als Erfolgsmeldung auf seine Website zu stellen, mit der ausdrücklichen Aufforderung an das Publikum, Musik, Texte und Themen beizusteuern.

Das Schlüsselwort Erfolg gibt der Platte nicht nur den Namen, sondern zieht sich als roter Faden durch die Stücke, ist gesprochen ständig präsent und lässt nur einen Schluss zu: egal ob mit dem Gesicht in der Kotze, oder als Einwohner Würzburgs: schön gequatscht wird alles zum Sieg.

Wenn mehrere Titel namensgebend auf Personen mit XY-Chromosomensatz verweisen, bedeutet dies nicht, dass darin auch Männerthemen behandelt werden. Die hier stellvertretend genannten „Brillenmann“ und „Mausmann“ thematisieren das manische Streben nach Selbstverwirklichung und kennen damit keine Geschlechtsspezifik.

Während im Song über den Menschen mit Sehhilfe (der als erste Single ausgekoppelt ein kleiner Hit geworden ist) den allseits bekannten hippen Szenegänger (immer schon da, wo man noch nicht ist) beschreibt, erzählt „Mausmann“ von der Leidenschaft des Investment-Bankers für die Koch-Convention (Spezialität west-östliche Fusion-Küche).

Über die Aufnahmen hinweg wird von Flüchtlingslagern, Festivals bis zum WorldWideWeb alles behandelt, was durch offensichtliche Selbstverständlichkeit inzwischen weitestgehend unkritisch beurteilt und, wenn zu unbequem, konsequent verdrängt wird, „Das positive Sektchen trinken/Ich halt es nicht mehr aus“ trällert der Damenchor passend dazu.

Musikalisch unterlegt wird alles von gefälligen Popmelodien, manchmal minimalistisch, manchmal bereichert durch Synthi-Streicher oder Rock-Gitarre und erinnert in der Summe ein wenig an die 14 Lieder der 2001`er PeterLicht Platte, der darauf mit bissigen Zeitgeistbetrachtungen („Wir Sind Jung Und Machen Uns Sorgen Über Unsere Chancen Auf Dem Arbeitsmarkt“) punktete.

Ein Höhepunkt des Albums ist das glockenhell vom selbigen vorgetragene „Damenchor“, der im abschließenden „Negativität“ noch einmal einen hervorragenden Einsatz hat.

Johannes von Weizsäcker und seine Mitstreiter sind eine Bereicherung der alternativen, deutschsprachigen Musiklandschaft. Wir wünschen ihnen weiterhin viel… Na ihr wisst schon.

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