MusikBlog - Entdecke neue Musik

East Cameron Folkcore – Kingdom Of Fear – Wut und Pathos

Musik und Politik müssen sich in punkto Breitenwirkung nicht unbedingt ausschließen. Es gab Zeiten, in denen Songs mit politischem oder gesellschaftsrelevantem Bezug tatsächlich auch schon mal in den höheren Bereichen der Charts auftauchen konnten. Lange her und in den letzten Jahren gar nicht mehr passiert.

Klar ist es wichtig, dass sich auch Musiker und Bands wieder verstärkt zu dem auseinandereierndem Zustand unserer Gesellschaft äußern. Umweltzerstörung, die Macht und Gier von Konzernen und Banken, die profillose Austauschbarkeit von Politikern, Medienmanipulation, Ausbeutung, Gentrifizierung, Lobbykorruption etc. und leider zu viel, sind es natürlich wert, dass man darauf auch wieder in der Musik intensiver Stellung bezieht.

Die Wahl der Mittel kann dabei natürlich recht unterschiedlich ausfallen. East Cameron Folkcore haben sich mit „Kingdom Of Fear“ für eine eher ambitioniert ernste Variante entschieden. Stilistisch mixt das Kollektiv aus Austin, Texas, dass aus acht bis zwölf Musikern besteht, auf ihrem dritten Album Hardcore, Country, Folk, Blues, Rock und was ihnen sonst noch so in die Finger gefallen ist, zu einem eher anstrengenden Cocktail. Zum Einsatz kommt dabei ein Großaufgebot an Instrumenten. Inklusive Bläser, Streichern, Mandolinen, Mundharmonika und Banjo.

„Kingdom Of Fear“ ist als Konzeptwerk angelegt. Die vierzehn Songs sind in vier Kapitel gegliedert, die ohne Pause ineinander übergehen. Kernpunkt sind natürlich die Texte, die Sänger, Songwriter und Kopf Jesse Moore mit berechtigter Wut als Anklage und Aufruf zum Handeln rausbrüllt. Nach einer Stunde Spielzeit hat man allerdings den Eindruck, dass das Album mit seinem realistischem Ernst, seinem prätentiösem Bombast und seinem nicht selten plakativen Pathos über einen hinweg gewalzt ist, ohne das viel von ihm bei einem angekommen ist. Black Flag und Gustav Mahler nennen East Cameron Folkcore unter anderem als Einflüsse. Und Letzterem wurde zu seinen Lebzeiten auch gerne der Vorwurf gemacht, dass sich die Dramatik seiner Musik aus inhaltsleerem Pathos und Bombast speist. Wenn man „Kingdom Of Fear“ hört, bekommt man eine ungefähre Ahnung davon, was damit gemeint war.

Energie und Drive, mit dem der Zorn der Texte umgesetzt wird, sind bei East Cameron Folkcore definitiv vorhanden. Musikalisch bedienen sie sich dabei aber zu oft bei schon etwas abgegriffenen Versatzstücken aus den obengenannten Genres. Und nicht selten werden diese ein paar Umdrehungen zu lange ausgewalzt.

Natürlich kann man sagen, dass ernste Themen auch eine adäquate Umsetzung verlangen. Andererseits handelt es sich hierbei aber immer noch um Musik, die als Transportmittel der Information dient. Und zumindest für meinen Geschmack könnte diese attraktiver, origineller und … hm, spannender sein. Selbst die britischen Anarchos Chumbawamba haben es zuweilen geschafft, durch ein paar Prisen Pop und Ironie, Neugier für die Inhalte ihrer kritischen Songs zu wecken. In der Stunde, die das Album braucht, würde ich es lieber vorziehen, mir eine von den vielen gut gemachten Dokus anzusehen, die im Internet kursieren oder die bei den Öffentlich-Rechtlichen ab und zu im Nachtprogramm versteckt werden.

„Kingdom Of Fear“ wird garantiert seine Freunde finden. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die Band mit ihrer durchaus vorhandenen Energie live gut abgeht. Aber trotz aller Sympathie und Respekt für ihre kritische Wut, musikalisch bin ich da leider nicht mit an Bord. Viel Glück!

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke