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Refused – Freedom

Refused und „The Shape Of Punk To Come“. Eigentlich sind Refused nur dieses Album von vor 17 Jahren. Jener Hardcore/Punk-Rock-Meilenstein, der kompromisslos die damaligen politischen Verhältnisse anzuklagen wusste, und dabei eine schier sagenhafte Bandbreite abdeckte – von Jazzanleihen bis Techno-Momenten. Die selbsternannten Post-Kommunisten um Szene-Darling Dennis Lyxzen sind konsequenterweise an der Mainstream-Werdung durch jenes Album gescheitert, haben sich aufgelöst und wurden anschließend von der Szene mächtig verklärt. Den Nimbus des authentischen Polit-Punk, den hatte Refused. Lang lang ist’s her.

Seltsam dann, jene Phase zu erleben, ab 2010, in denen geheimnisumwobene Comeback-Meldungen die Runde machten, aber nur der Meilenstein im Remastered-Gewand neu aufgelegt wurde. Und das von jenen mit dem Nimbus. Dann doch noch Festival-Auftritte zwei Jahre später. Dann wieder Zerwürfnisse und der Rausschmiss eines Gitarristen. Und jetzt das Nachfolgewerk von „The Shape Of Punk To Come“. 17 Jahre danach.

Perfekt produziert und definitiv hart ist „Freedom“ erschreckend belanglos. Die Festung Europa und seine Abschottungspolitik stehen auf der Anklagebank des über Gebühr schreienden Dennis Lyxzen. Dessen Indie-Rock-Phase mit The (International) Noise Conspiracy, unter den ihn die meisten mit Indie-Disco-Hits wie „Capitalism Stole My Virginity“ kennen, scheint vorbei zu sein. Schon vor der Refused-Reaktivierung rief er mit AC4 eine „echte“, nur in Skandinavien einigermaßen bekannte Hardcore-Formation ins Leben.

Auch wenn es ein knüppeldickes Brett geworden ist, unterlegt mit vielerlei Sample-Schnickschnack, auch wenn das Thema an Brisanz, Aktualität und Relevanz nicht brennender sein könnte, „Freedom“ verharrt in einer seltsamen Blase, klagt an, fordert umdenken, gar Revolution und wirkt doch nicht annähernd weitreichend genug. Wer wird Refused’s Comeback-Album hören, jemand in Lampedusa? Die eigene Klientel muss nicht von diesem problematischen Unrecht überzeugt werden, gleichwohl hat Lyxzen jedes Recht, dies vorzubringen. Aber im Gegensatz zu, sagen wir, Kendrick Lamar und seiner Version von gesellschaftlich bedeutsamen Inhalt in Popmusik, wirkt Refused’s „Freedom“ nur wie ein Klischee, nur wie ein besser wissend geschwungener Finger aus der Polit-Punk-Ecke.

Lyxzen fragte noch in linksintellektuell typisch selbstreflektierender Manier „can I scream?“ („New Noise“) auf dem lang zurückliegenden Meilenstein. Auf „Freedom“ wird daraus eine zahnlose Maxime, ein zahnloses Selbstzitat: „I’m just going to scream now“ („Old Friends“/New War“).

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