Die als „Wunschkind von Grunge und Folk“ deklarierten und als „Next Big Thing“ gehandelte Londoner Band Wolf Alice bringt ihr mit Spannung erwartetes Debutalbum an den Start.
Sängerin Ellie Rowsell und Gitarrist Joff Oddie formierten 2010 die Band (deren Name sich auf eine Kurzgeschichte von Angela Carter bezieht), um zunächst folkorientiertes Material aufzunehmen, dem bald eine selbstproduzierte Akustik-EP folgte. Mit dem Anschluss von Schlagzeuger Joel Amey und dem Bassisten Theo Ellis an die beiden Musiker wurde der Sound rauer, der im korrigierten Stil via Soundcloud verbreitete Song „Leaving You“ weckte schließlich die Aufmerksamkeit der BBC und schaltete für die Band den Entwicklungsturbo ein.
2013 kam die erste Single „Fluffy“ (mit freundlicher Genehmigung vom damaligen Produzenten auch jetzt auf das Album gepresst) auf Chess Club Records, die erste EP „Blush“ folgte ebenfalls über diesen Vertriebsweg. Ein Jahr später erschien die „Creature Songs“ EP, diese bereits auf dem Label Dirty Hit Records. Wolf Alice sind nun längst kein Geheimtipp mehr, sondern der meist-gebloggte Act in UK und gehen im Frühjahr 2015 als Support von alt-J auf Tour.
Soweit zur Geschichte. Viele Vorschusslorbeeren mit entsprechend hoher Erwartungshaltung entwickeln einen ordentlichen Druck, dem schon manche Band nicht standhalten konnte. Wolf Alice können. Und sie können viel mehr als das bereits veröffentlichte Post-Grunge Stück „Giant Peach“ verriet, ihr musikalisches Repertoire ist deutlich breiter. Das Intro „Turn To Dust“ liefert eine griffige Melodie und funkelnde Gitarren, die in diverse Hall- und Soundeffekte eingebettet sind, Rowsells Gesang erinnert hier in sanften Passagen an das Fragile einer Heather Nova.
Das folgende „Bros“ (die Geschichte über kindliche Freundschaft gab es ebenfalls bereits auf einer EP zu hören) bewegt sich auf ähnlichem Niveau. Erst wenn sich in „Your Loves Whore“ die sanft einschleichende Gitarre mit den scheppernden Snares verbindet, um in fetten Riffs zu münden, bekommt die Stimme der Frontfrau erste düsteren Akzente. „You’re A Germ“ rockt im Anschluss mit formidablem Schlagzeugeinsatz nach vorne, Ellie Rowsell wird auch hier nicht zum Riot-Grrrl, entwickelt vielmehr mit viel Knurren und Fauchen ein eigenes Gesangs-Charisma und unterstreicht damit ihre sich nicht immer auf der hellen Seite befindlichen Lyrics.
Damit sind in den ersten Nummern des Albums seine Hauptzutaten aufgetaucht, die in den restlichen Stücken miteinander kombiniert werden. Ob im rotzig-krachenden „Fluffy“, dem groovenden Up-Tempo Stück „Freazy“ oder dem schwelgerischen „Lisbon“ – das Quartett schafft es immer, die Spannung aufrecht zu erhalten. Wenn das von Joel Amey gesungene „Swallowtail“ den Bogen vom akustischen Beginn bis hin zur vollen Dröhnung bester britischer Shoegaze-Tradition schlägt, ist man sich sicher, dass Wolf Alice die Soundideen nicht so schnell verlassen werden.
So klingt dann „Silk“ als würden The xx mit Hip-Hop kokettieren, aber auch Lana del Rey-artige Melodramatik bekommt in „Soapy Water“ ihren Platz. „The Wonderwhy“ bringt am Ende noch einmal alle Elemente der Platte nach vorn, und wenn Elli Rowsell im Hidden-Track bittet: „Teach me, teach me rock and roll“ bleibt die Frage, was sie da noch lernen will, die Rock-Attitüde beherrscht sie sicher.
„My Love Is Cool“ scheint zwischen allen Ausflügen ins Lärmige auf der Suche nach der ganz großen Melodie zu sein. Auch wenn die noch nicht endgültig gefunden wurde und die Mainstream-Umarmung manchmal etwas stürmisch ausfällt, bleibt das Album vor allem eines: Cool!